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Im Schatten des Pferdemondes

Im Schatten des Pferdemondes

Titel: Im Schatten des Pferdemondes
Autoren: Evita Wolff
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Geräusch entgegen. Doch dann – ein plötzliches Kreischen über dem Kies der Auffahrt, ein quakendes Geräusch. »Nur die Hupe, mein Freund«, murmelte die sanfte Stimme über ihm, und die ruhige Hand suchte seine plötzliche Furcht wegzustreichein, und beinah schon war er wieder beruhigt, doch da schallte eine laute Stimme aus dem heruntergelassenen Fenster des Wagens zu ihm herüber, er legte die Ohren an, sein Körper wurde flach, und er schoß voran in Panik.
Da war kein Ruck am Kopf, kein Reißen im Maul, um ihn aufzuhalten, wie er es kürzlich kennengelernt hatte, als schlechtriechende Männer ihn endlos auf Viehtransporter hinauf- und wieder hinabgezwungen hatten. Da war nur die sanfte Stimme, die zu ihm sprach. Er begann, wieder auf sie zu hören. Und als er auf sie hörte, fühlte er leise Gewichtsverlagerungen, die ihn zu einer bestimmten Richtung überredeten, fühlte Hände auf seinem gewölbten Hals, die die Zügel nicht führten, nur über sein Fell fuhren und ihn zur Ruhe brachten.
Schweißnaß kam er in der Mitte der Reitbahn zum Stehen und kaute heftig auf dem Gebiß der Trense. Schaum zeigte sich unterhalb der Zügel, am Sattelgurt. Sir Lancelot zitterte.
Erics Gesicht war hochrot, seine kurzen schwarzen Haare sträubten sich angriffslustig, er ballte die in Handschuhen aus weichem Leder steckenden Hände und drückte die Zügel zusammen: Was zum Teufel war denn in Turner gefahren, daß er in einem solchen Tempo auf einen Pferdehof donnerte und brüllte – und noch dazu Unverständliches –, wenn einer mit einem Pferd draußen arbeitete.
Eric nahm die Zügel auf, nur für alle Fälle, stützte nachlässig die Faust auf den Sattel und neigte sein Gewicht leicht nach vorn, sah den Ankömmlingen entgegen, die jetzt aus dem Wagen stiegen und auf ihn zukamen: Turners hohe, magere, aufrechte Gestalt – typischer Militär – und ein schlankes Bürschchen in Reithosen, glänzend gewienerten, hohen Reitstiefeln und einem dicken blauen Pullover, unter dessen V-Ausschnitt ein hellblaues Hemd hervorsah. Die Stiefel sahen nicht aus, als hätten sie schon viel Kontakt mit dem beißenden Schweiß eines hart arbeitenden Pferdes gehabt.
Er machte sich nicht die Mühe, ihnen entgegenzureiten. Bißchen Schmutz würde diesen schicken Stiefeln nicht schaden. Flüchtig glitt sein Blick über seine eigenen Stiefel, mit den hell gescheuerten Innenflächen, dem müden Schimmer, den altes und vielgebrauchtes Leder hat. Diese Stiefel waren zehn Jahre alt. Er trug sie, seit seine Füße nicht mehr gewachsen waren, und das bedeutete seit seinem 16. Lebensjahr.
Das Pferd unter ihm rührte sich, und er ließ den Blick über dessen erhobenen Kopf schweifen, zwischen den aufmerksam gespitzten Ohren hindurch – zum ersten Mal an diesem Tag hatte er Muße, seine Umgebung zu betrachten, ohne daß seine Gedanken um etwas anderes kreisten als um das, was er tat. Allein heute hatte er sechs von Turners Pferden durchgearbeitet, die Schwierigkeiten psychischer Art hatten; es war ein zufriedenstellender Tag gewesen, und ein anstrengender; denn auf jedes Pferd galt es sich neu einzustellen und es entsprechend zu behandeln. Lance hatte er sich als letzten gelassen. Lance war der Schwierigste von allen; aber er war auch ein Künstler, ein geborener Tänzer; es war die reine Freude, ihn zu reiten.
Er sah, daß die Sonne sich neigte und ein leichter Dunst aus dem Boden zu steigen begann. Malvenfarben hing die kaum merkbare Feuchtigkeit da in der Ferne, zu den Hügeln hin, über niederen Büschen und hohem satten Gras, und ein leichter Windhauch spielte mit den höchsten Spitzen der Gräser und zupfte an den kleinsten Blättern der Büsche. Eric fühlte den Wind und merkte in diesem Augenblick, wie verschwitzt und heiß sein Körper war. Die Dusche heute Abend würde eine Wohltat sein.
Die Ankömmlinge waren herangekommen, ein bißchen außer Atem vom Stapfen über den schweren Boden.
»Macht sich gut, hab ich von weitem schon gesehen«, sagte Turner, nahm seine flache Kappe mit dem langen Schirm ab und wischte sich diskret die Stirn am Ärmel seiner leichten Tweedjacke. »Irgendwelche Schwierigkeiten gehabt mit ihm heut'?«
Eric blies die Luft aus, es klang wie das leise Schnaufen eines Pferdes, das sich langweilt.
»Nicht, bis Sie angedonnert sind«, sagte er grimmig. Turner war ein ehemaliger Militaryreiter. Mindestens zwei Dutzend Sportpokale hatte er gewonnen, die er bescheiden hinter der Bar in seinem Herrenzimmer versteckte, so
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