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Im Schatten des Pferdemondes

Im Schatten des Pferdemondes

Titel: Im Schatten des Pferdemondes
Autoren: Evita Wolff
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Stimme und seinen Händen und brachte es endlich, schweißgebadet, vor Turner und Mrs. Fargus zum Stehen. Eine Pferdelänge waren sie voneinander entfernt, und näher würde er Lance nicht an sie heranbringen können. Lance würde noch sehr viel Zeit brauchen, bevor er sich lärmenden Fremden auch nur auf Armlänge nähern konnte. Eric schüttelte seine aufgerissene Hand und richtete dann, ohne hinzusehen, den Bügelriemen. Wütend starrte er auf den Boden. Turner hatte mit seiner Ungeduld, irgendeine wichtige Nachricht vorzubringen, tief in sein eigenes Fleisch geschnitten. Schließlich lag es in seinem Interesse, den Hengst bald wieder obenauf zu haben, so daß jeder ihn reiten konnte.
Womöglich hatte Turner die Rekonvaleszenz des Pferdes um Wochen zurückgeworfen. In Eric kochte die Wut. Ein paar Tage noch – dann hätte er behutsam begonnen, den Hengst, der seine Verkrampfung zunehmend verlor, Geräuschen auszusetzen, ab und an nur ein lauter, zweifellos störender Ton, doch das Vertrauen des Pferdes zu ihm war gewachsen, er hätte seine Unruhe beschwichtigen können – und schließlich hätte er ihn behutsam dahin gebracht, alles Neue mit Interesse, nicht mit Angst, zu betrachten – hätte ihn letztlich dazu gebracht, sein Trauma zu überwinden und eine Menschenmenge nur mehr als ein Meer von bedeutungslosen Gesichtern anzusehen, und die Vielstimmigkeit dieser Menge nicht mehr zu beachten als das an- und abschwellende Wispern eines Baches.
Da sagte Turner: »Komm näher, Eric, wir wollen was mit dir bereden.«
Eric schüttelte erneut seine aufgerissene Hand. »Geht nicht.«
»Wieso nicht??!«
»Bin froh, daß ich Lance so weit gebracht habe ... nachdem Sie –« Er machte eine vielsagende Pause und lutschte an seiner Hand.
Turner sagte ohne Atem: »Nachdem ich was?«
»Nachdem Sie ihn so verstört haben. Ich hab's Ihnen erklärt. Ich hab Ihnen mehr als einmal gesagt, wo Lances Schwierigkeiten liegen.«
Sir Simon schnaufte. »Dann steig gefälligst ab und komm zu uns.«
»Nein. Nein – Sir.«
»Verflucht, warum nicht?!«
»Ich kann das Pferd jetzt nicht allein lassen. Sie haben es völlig verängstigt.«
»Aber du mußt mit uns kommen! Es ist wichtig!«
»Ich muß mich um Sir Lancelot kümmern. Das ist Ihr Auftrag. Dafür bezahlen Sie mich.«
Turner schnaufte wütend, sagte etwas zu Emily Fargus – Eric konnte nur verstehen »manchmal verflucht eigensinnig«
– und kam dann auf ihn zugestapft. Lance warf den Kopf hoch und trat einen halben Schritt zurück, und Eric nahm die Zügel etwas kürzer und verstärkte seinen Schenkeldruck, um das Rückwärtstreten zu forcieren. »Bleiben Sie lieber stehen«, sagte er und tat, als versuche er, den Hengst anzuhalten, »Sie bringen ihn bloß wieder in Panik.«
Turner blieb wie angenagelt stehen. »Verflucht, dann steig gefälligst ab.«
»Wär verdammt unklug. Ihnen muß ich doch nicht sagen, was Inkonsequenz bei der Ausbildung eines Pferdes anrichtet, sogar schon bei einem normalen Pferd! Wenn ich ihn heute Abend nicht durcharbeite wie geplant, kann ich womöglich von vorne anfangen. Das wissen Sie.«
»Steig ab, verflucht! Mrs. Fargus und ich haben was mit dir zu besprechen! Steig ab, sag ich.«
Eric lehnte sich unmerklich zurück. Lance schnellte auf die Hinterbeine, seine Vorderhufe schlugen wirbelnd durch die Luft. Turner wich ein paar Schritte zurück.
»Hören Sie auf, so zu schreien, um Gottes Willen! Sie machen mir ja das Pferd völlig verrückt! – Ruhig, ruhig, Lance, nur ruhig.« Er fuhr durch die helle Mähne, beugte sich über den aufgewölbten Hals und flüsterte in die ihm zuzuckenden Ohren: »Nur ein Spiel, Lance, keine Angst. Wir werden ihm schon Manieren beibringen.«
Leise, allerdings nicht weniger wütend, sagte Turner: »Komm da jetzt runter, steig in den Wagen und fahr mit uns mit. Da ist was verflucht Wichtiges!«
Eric ließ Lance tänzeln. Die schmalen Hufe rissen die Erde auf, und die schweren feuchten Sandkörner sprühten in alle Richtungen. »Kann nicht«, keuchte er. »Sie sehen ja, wie unruhig er ist. Wenn er heute Abend seine Lektion nicht kriegt, muß ich wirklich wieder bei Null anfangen. Überlegen Sie doch bloß, Sir Simon, dann wären all die Wochen umsonst – und all das Geld, das Sie mir bezahlt haben, um Lance wieder in Ordnung zu bringen.«
Emily Fargus war Turner gefolgt und stand jetzt neben ihm. Ihre tiefblauen, lebhaften Augen ruhten aufmerksam auf dem goldenen Hengst. Sie sagte: »Der junge Mann hat recht. Wir sollten
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