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Im Schatten des Pferdemondes

Im Schatten des Pferdemondes

Titel: Im Schatten des Pferdemondes
Autoren: Evita Wolff
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Sein Fell war jetzt trocken. In der Konzentration auf die Arbeit hatte er seine Angst vergessen. Er war entspannt: sein Reiter war zufrieden mit ihm; er wußte, er hatte seine Sache gut gemacht. »Jetzt«, sagte die Stimme über ihm, »jetzt noch ein kleiner Galopp, um dich zu lockern, dann Trockenreiten – und Box. Also los!« Die Stimme war auffordernd, die Zügel wurden nachgegeben – er nahm das Gebiß fester, legte sich in den Zügel mit seinem sich streckenden Hals, fiel auf den auffordernden Schenkeldruck seines Reiters in einen zunächst zögernden, dann mehr und mehr raumgreifenden Galopp entlang der weiten Reitbahn. Eric klopfte anerkennend seinen Hals. »Wunderbar, wunderbar. Wollen wir jetzt langsam Feierabend machen? Feierabend.«
Der Hengst fiel auf das vertraute Wort hin in leichten Trab und kam dann durch einen leichten Zug am Zügel zum Stehen. »Schön. Sehr fein. Und nun noch ein paar Runden im Schritt.«
Zuerst waren die Tritte schnell, kurz, bereit, doch dann, als keine andere Reaktion erfolgte als das weiche Nachgeben der Zügel, als keine Schenkeleinwirkung mehr ihn vorwärtstrieb, da senkte er den Kopf, kaute auf dem Gebiß, schnoberte in den Sand, zog lässig am Zügel, und sein Körper wurde lang und entspannt, die Schritte wurden nachlässig wie die eines weidenden Pferdes. Eric zog schließlich die Zügel an, und der Hengst stand unter ihm wie eine Salzsäule.
Aus der Entfernung konnte Eric gerade noch hören, was da drüben am Zaun gesprochen wurde.
»Wunderbar«, sagte Emily Fargus' weiche Stimme, an Turner gewandt. »Sie sagten doch, dieses Pferd sei völlig verstört gewesen, als Sie es gekauft haben. Und jetzt – jetzt! Es ist wieder ein perfektes Dressurpferd!«
»Solange Eric auf ihm sitzt. Er gewinnt schnell das Vertrauen verstörter Pferde, ich weiß nicht, wie er's macht, er scheint sie irgendwie zu verstehen und weiß dann, wie er sie behandeln muß. – Aber es kostet noch mal soviel Zeit, wie er braucht, sie unter ihm reitbar zu machen, um sie dazu zu bringen, auch unter einem anderen gut zu gehen.«
»Es ist einen Versuch wert«, sagte Emily Fargus entschlossen. »Gott!« Sie schwieg einen Augenblick, und ihre Augen wanderten verloren über den schweren Boden, hoben sich schließlich von den trockenen, schmalen Fesseln Sir Lancelots bis zu der glatten Stirn und dem dunklen Stoppelhaar seines Reiters. »Sie wissen es ja, Sir Simon – es geht mir nicht mal um Reitbarkeit. Aber so wie's jetzt ist – die Stute läßt sich nicht einmal mehr anfassen.«
»Ja, ja, ich weiß, ein Jammer – und dazu die beste aus Ihrer Zucht.«
»Immer war sie so zutraulich, aber seit sie zurück ist, hat sie vor allem Angst. Keiner kann sich ihr mehr nähern.«
»Eric könnte es, denke ich. Das sagte ich Ihnen ja schon am Anfang.«
»Ja, jetzt, wo ich ihn beobachtet habe – denke ich das auch. Aber ... aber wird er denn den ganzen Weg bis nach Schottland auf sich nehmen, bloß um meine Stute wenigstens anzusehen?«
»Das müssen Sie ihn selbst fragen, Madam. Aber ich denke, er wird es tun. Pferde liebt er über alles. Ich sagte ja schon, er kann manchmal furchtbar eigensinnig sein – aber immer nur aus gutem Grund.« Er schwieg einen Augenblick und zog sich den Schirm seiner Mütze tiefer in die Stirn. »So wie vorhin, um mir meinen Fehler vor Augen zu führen. Er hat ja auch ganz recht. Ich hätte mich nicht so aufführen dürfen.«
Emily Fargus überspielte sein Schuldbekenntnis mit einem Lächeln und sagte: »Ich mag diesen jungen Mann. Er gefällt mir. Ich glaube, der gibt nicht so leicht auf.«
»Aufgeben?! – Da könnten Sie genausogut versuchen, den Teufel zu taufen! Eric – Eric, der gibt nicht auf! Wenn der sich mal festgebissen hat, arbeitet er immer weiter. Noch jedes Pferd, und sei es noch so verstört, hat er wieder hingekriegt.«
»Ja, dann ... wir sollten ihm den Fall morgen vortragen.«
Es gab noch mehr Gemurmel, so leise jetzt, daß Eric es nicht verstehen konnte. Dann sah er, wie die beiden sich abwandten, flüchtig winkte Turner mit eingezogenem Kopf, wahrscheinlich beutelte ihn die Beschämung jetzt erst richtig. Aber Emily Fargus blieb nach ein paar Schritten stehen, drehte sich um und beschattete mit einer Hand die Augen, und hob die andere mit einer vagen, anrührenden Geste, die Verzagtheit verriet und doch nicht ganz hoffnungslos wirkte. »Auf Wiedersehen, also morgen, E ..., Mr.Gustavson.«
Am liebsten hätte er ihr gesagt, sie könne ihn ruhig bei seinem Vornamen
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