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Im Schatten des Kreml

Im Schatten des Kreml

Titel: Im Schatten des Kreml
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Gehilfin. Bedächtig schlurft sie davon.
    »Was ist mit dem Anhänger?«
    »Ich behalte ihn erst mal. Wenn sie alt genug ist, um alles zu verstehen, bekommt ihn Galina.«
    Seine Augen glänzen und verengen sich zu ihrem reptilienhaften Blick, der mich kurz streift, ehe er sich auf den Monitor richtet. »Willst du das Video sehen, bevor es bearbeitet wird? Oder lieber beide Versionen, wenn sie im Internet sind?« Sein Tonfall ist jetzt betont munter, er versucht, die Spannung zwischen uns aufzulockern.
    Ich verneine. Die Bilder, die ich im Kopf habe, sind bereits mehr, als ich ertrage.
    Er nickt und lehnt sich in seinem Stuhl zurück. »Wir haben deinen Mann identifiziert«, sagt er und zeigt auf eine Akte auf seinem Tisch. »Noch so ein Saudi, abgrundtief böse, wie der Schwarze Araber. Da unten muss es ein Nest geben.«
    Ich klappe die Akte auf und schaue in die hasserfüllten, glühenden Augen des Wahhabiten. Im Anhang folgen zwei Dutzend Seiten, die in allen Einzelheiten über seine Aktivitäten und Verbündeten berichten.
    »Er ist die meiste Zeit in Abregs Nähe«, erkläre ich. »Er will die Macht übernehmen.«
    »Gut. Vielleicht kriegen wir zwei auf einen Schlag.«

56
    In kalten Schweiß gebadet wache ich auf. Ich greife nach der Sig.
    Jemand klopft an die verschlossene Tür meiner engen Kammer im Keller von Vadim’s Café.
    Vadim ruft durch die Tür: »Besuch oben. Ein Bulle.«
    Die Leuchtanzeige auf meiner Uhr zeigt kurz nach acht Uhr morgens. Ich habe noch eine Stunde, bevor es zum Luftwaffenstützpunkt geht. Ich ziehe mir rasch etwas an und laufe nach oben.
    Barokov sitzt an einem Tisch am Fenster. Hinter ihm zieht der Morgennebel wie Kanonenrauch durch die Straße. Er sieht mich eintreten, und ich gebe ihm ein Zeichen, sich zu mir an den Tisch zu setzen, den Vadim in einer hinteren Ecke freiräumt; er ist halb versteckt hinter einer Wand, die den Restaurantbereich von den Toiletten trennt.
    Der Inspektor sinkt in einen Holzstuhl mit bezogenem Kissen, während meiner aus Metall und rotem Vinyl ist. Er legt zwei dicke Ordner auf den Tisch neben ein offenes Glas mit Mixed Pickles. Der Deckel des einen Ordners ist mit handschriftlichen Bemerkungen und Gekritzel versehen. Irgendwo dazwischen steht die Adresse von Semerkos Wohnung in Machatschkala sowie meine Telefonnummer. Es fühlt sich an, als hätte ich sie vor langer Zeit dort hingeschrieben.
    »Ich bin hier, um Ihnen zu danken, Oberst«, sagt er. »Das Leben, das Galina bleibt, ist besser als gar keins.«
    Vadim bringt eine Kanne Tee und gießt zwei Tassen ein. Ich nehme einen brühend heißen Schluck, umfasse meine Tasse mit beiden Händen und frage mich, ob sie sich je wieder warm anfühlen werden.
    Barokov legt den Zeigefinger auf die Akten. »Es gibt immer noch vieles, was ich nicht verstehe.«
    »Reicht es nicht, dass sie am Leben ist?«
    »Doch, natürlich. Ich schätze, es steht alles da drin. Sie wurde von einem jungen Mann entführt, den sie aus der Nachbarschaft kannte; er hat sie weit weg gebracht, und Sie sind dort hingefahren und haben sie zurückgeholt. Ich würde nur gern noch wissen, wo er ist. Ich muss ihn wegen Tanja drankriegen, und es wäre schön, Galinas Fall mit mehr Gewissheit abzuschließen.«
    »Semerko Torgow ist Glut und Asche, Inspektor. Mehr als das, was Sie jetzt haben, kriegen Sie nicht.«
    »Er wurde verbrannt?«
    Vadim stellt einen dampfenden Teller mit Eiern, Schinken und Toast vor mich hin, und ich fange an zu essen.
    Barokov fährt mit der Hand über die Ordner, sein rotes Gesicht nimmt einen nachdenklichen Ausdruck an. »Wir wissen immer noch nicht, wer Alla Anfimowa getötet hat«, sagt er und blättert gedankenverloren durch die Seiten.
    »Filip Lachek.«
    »Ja, das sagten Sie. Aber ich habe keinerlei Anhaltspunkte. Erkundigungen nach dem Kerl einzuholen, ist ungefähr so, als wollte man mit bloßen Fäusten die Kremlmauer durchbrechen.«
    Die Polizei wird Lachek nie finden. Konstantin zufolge, dem ich kein bisschen über den Weg traue, ist Lachek untergetaucht, wahrscheinlich in Südostasien, seinem alten Revier. Der General, Maxim und mein ganzes Netzwerk von Leuten in der Gegend suchen alles nach ihm ab.
    Barokov nimmt einen Salzstreuer in die Hand. Stellt ihn wieder hin und dreht das Glas mit den Pickles so schnell, dass das Wasser überschwappt. Mein Teller leert sich schnell. Ich muss los, und Barokov lässt sich noch immer Zeit mit dem wirklichen Grund für seinen Besuch. Schließlich klopft er mit den
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