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Im Schatten des Kreml

Im Schatten des Kreml

Titel: Im Schatten des Kreml
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Russlands militärischer, politischer oder bürokratischer Elite.
    Ich werfe meinen Mantel ab, damit er meinen Dienstgrad an der Uniformjacke darunter erkennt. Er wendet mir den Rücken zu.
    »Ich kümmere mich später um Sie, Oberst.« Er spuckt die Worte aus, als wolle er seinen Mund von einem schlechten Geschmack reinigen.
    »Jetzt.«
    Er wirbelt herum, die Lippen merkwürdig verkniffen. »Sie sagen kein Wort mehr, bis ich Sie anspreche. Ist das...«
    Ich werfe mich auf ihn und reiße ihn auf den Tisch, der unter seinem Gewicht und der Wucht des Stoßes zusammenbricht. Ein Laptop kracht zu Boden, als er mit dem Gesicht nach unten auf den Marmor klatscht. Ich setze ihm den Absatz meines Kampfstiefels ins Genick.
    »Wer ist zweiter Kommandoführer?«, frage ich so leise, dass sich alle zu mir Vorbeugen.
    Ein Polizist mit gerötetem Gesicht steht augenblicklich stramm. »Ich, Oberst. Inspektor Barokov.«
    Der FSB-Offizier unter meinem Stiefel versucht, aufzustehen. Oder nach einer Waffe zu greifen. Ich ziehe meine Sig, beuge mich zu ihm und schlage ihm damit auf den Kopf, um ihn bewusstlos zu machen. Dann nicke ich dem Inspektor zu, er möge fortfahren.
    Er salutiert und versucht, noch strammer zu stehen. »Die Tschetschenen sind in die Büros der AMERCO im sechsten Stock eingedrungen. Wir hatten nicht mal Zeit, mit ihnen in Kontakt zu treten, bevor die Bombe hochging. Wir können von Glück sagen, dass nicht das ganze Gebäude runtergekommen ist. Wir wissen nicht, wie viele Tote es sind, und wir kommen nicht hinein.«
    Er wartet auf eine Antwort. Mich wundert es nicht, dass das Haus standgehalten hat. Das Grundgerüst wurde während der Stalinzeit errichtet, als die Menschen mit dem Bajonett zur Arbeit gezwungen und Häuser aus Stahl, Ziegelsteinen und Mörtel gemischt mit Blut gebaut wurden. Meine rechte Hand schnellt kurz an meine Augenbraue. Er nimmt die Hand runter, steht aber weiter stramm.
    »Zwei Terroristen sind noch im Nordflügel des sechsten Stocks mit vielleicht zehn Geiseln, je nachdem, wie viele der Angestellten noch leben.«
    »Woher wissen Sie das alles?«
    »Sie haben eine Geisel freigelassen, um uns ihre Forderungen zu übermitteln.«
    Es ist mir vollkommen gleichgültig, was die Terroristen wollen. Vor meinen Augen sehe ich das steinerne Neandertalergesicht des Generals, seine schweren Lippen, die die Worte formen: Verhandle nicht.
    Barokov weist mit dem Kinn auf eine Frau, die gekrümmt auf einem Stuhl sitzt und sich die Hände vor die Augen hält. Sie scheint zu weinen. Alles, was ich von ihr sehe, ist aschblondes Haar und ein rußbeschmutzter Hosenanzug mit einem langen Riss am Ärmel. Ein weiterer uniformierter FSB-Offizier, ein Leutnant, steht steif neben ihr, aber er stellt meine Autorität nicht infrage. Er stößt sie grob gegen die Schulter, und sie sieht zu ihm hoch und dann zu mir. In ihren verstört blickenden grünen Augen stehen Tränen. Sie wirkt überreizt, fingert nervös am Anhänger ihrer Halskette herum und blickt zwischen mir und dem Offizier hin und her.
    »Haben Sie gehört, was er gesagt hat?«, frage ich sie. »Zwei Terroristen, zehn Geiseln, sechster Stock. Stimmt das?«
    Sie sieht den Offizier an. »Ja. Es waren zwei. Beide im sechsten Stock.« Ihr Russisch ist schlecht, sie spricht mit starkem amerikanischen Akzent.
    Ich drehe mich um und sammle meine Gedanken. »Zeigen Sie mir den Gebäudegrundriss.«
    Inspektor Barokov rollt verblichene, zerfledderte Pläne aus, während die anderen den Tisch wieder aufstellen, zur Seite treten und versuchen, nicht auf den professorenhaften FSB-Agenten zu starren, dessen Blut auf den polierten Boden tropft.
    »Sie sind hier«, sagt er und zeigt auf einen Flügel in der Mitte des Gebäudes. »Hier könnten wir eventuell reinkommen.« Sein Finger landet auf einem Treppenhaus, das, wie ich feststelle, nur direkt unterhalb der Stelle zugänglich ist, wo die Terroristen vermutet werden.
    Ich grummle etwas, ziehe die Pläne näher heran, suche nach einem geeigneteren Weg und fahre mit dem Finger über das zerknitterte Papier zu einer Außentür an der Westseite des Hauses. Der Eingang liegt unter einem Vorsprung sechs Stockwerke tiefer und ungefähr fünfunddreißig Meter entfernt von dort, wo die Geiseln festgehalten werden.
    »Diese Tür wird abgeschlossen sein«, sagt Barokov. »Und es wird ein Problem sein, dort hinzugelangen. Aber sie sind nur zu zweit, Sie müssen es also lediglich bis nach drinnen schaffen, die Treppen werden
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