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Im Schatten des Kreml

Im Schatten des Kreml

Titel: Im Schatten des Kreml
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gemacht.« Er tritt von einem Bein aufs andere und sieht mir in die Augen. »Alle haben in ihre Handys gesprochen. Es ging so schnell, jeder hätte...«
    Er nimmt allen Mut zusammen, wie ein Junge, der schlechte Nachrichten für seinen Vater hat. »Es tut mir leid, Oberst. Ich habe nicht daran gedacht, die Leute festzuhalten.«
    Fünf Minuten später verschwindet der Boden unter mir, und der MI-24 trägt mich durch Schneegestöber in Richtung Norden zurück zum Kreml, wo ich dem General Bericht erstatten werde. Während des unruhigen Fluges näht ein Arzt die Wunden an meinem Kopf, zieht mich bis zur Hüfte aus und streicht Salbe auf meine Verbrennungen. Er vergeudet seine Zeit. Den Schmerz nehme ich kaum wahr, und Narben sind mir egal. Es sind nur ein paar mehr auf der Landkarte des Krieges, von der mein Körper bereits überzogen ist – eine Dekade militärischer Krisenherde in Narbengewebe verewigt.
    Meine Uhr piept. Ich war weniger als eine Stunde am Boden.

3
    Der General erwartet mich in seinem unterirdischen Hauptquartier tief im Inneren des Kreml, so nah an der Moskwa, dass kondensierte Feuchtigkeit aus den Wänden trieft. Eine nackte Glühbirne hängt neben einem durchnässten Holzbalken und wirft mehr Schatten als Licht. Er sitzt bewegungslos hinter seinem Ebenholzschreibtisch, wie in Stein gemeißelt, während er mich aus den dunklen Höhlen unter seinen wulstigen Augenbrauen mustert.
    »Du hast abgenommen.«
    Sechs Monate sind vergangen, seit wir uns das letzte Mal gesehen haben, kurz nachdem Valja am Schere-metjewo-2-Terminal auf ihren Krücken weggehumpelt und in der Menge verschwunden war. Seitdem waren meine Einsätze Routine: in den Norden nach St. Petersburg, um eine Drogenlieferung abzufangen und sie über die Grenze nach Finnland zu bringen. In den Osten nach Tokio, um einen ehemaligen KGB-Agenten zu eliminieren, der mit Geheimnissen und Lügen Handel trieb. Für alle internationalen Reisen verfüge ich über einen Diplomatenpass. Im Augenblick rieche ich nach Rauch und gegrilltem Fleisch, und ein Teil von mir fühlt sich so an, als würde er noch brennen, weswegen ich die Inspektion gern beenden und zur Sache kommen würde, aber der General hat wie immer seinen eigenen. Kopf.
    »Du siehst aus wie ein halb verhungerter Wolf.«
    Die vergangenen Monate haben meine Züge verhärtet, statt sie zu glätten, wie er vielleicht gehofft hat. Valjas Verlust hat mich aus der Bahn geworfen und mich nicht unbedingt menschlicher gemacht, und ich weiß nicht, was ich dagegen tun kann.
    Er senkt den Blick, um sich ein paar Fotos vom Anschlag anzusehen. »Das war gute Arbeit. Du hast zwei Terroristen getötet. Aber wir schätzen, dass mindestens fünfzig Zivilisten bei der ersten Explosion umgekommen sind. Die genauen Zahlen erfahren wir später. Sie sammeln noch die Einzelteile ein.«
    »Ich hatte Glück, sonst wäre ich jetzt auch tot.«
    Sein Kopf ist noch nach unten geneigt. Er stützt die Ellbogen auf den Tisch, drückt mit den Daumen gegen die Schläfen und massiert sie in engen Kreisen. »Glück?« Er klingt abwesend, als wäre die Explosion Wochen her und nicht Minuten. »Das bezweifle ich.«
    Er schiebt ein paar Papiere auf dem Tisch umher. »Kennst du Filip Lachek?«
    »Nein.«
    »Ich hatte bereits mehrmals mit ihm zu tun. Sein Ruf passt zu seinem Namen, genau wie bei dir.«
    Sicher, Volk bedeutet Wolf. Der Gedanke, über ein bissiges Tier zu befehlen, gefiel dem General schon immer. Der Name Lachek bedeutet Hunger.
    »Lachek räumt für Putin auf«, sagt er. »So wie du für mich. Aber Putin ist ein Gott, seit unser Öl Berge von Geld in seine Taschen pumpt.« Er klingt bitter. Seine Züge verhärten und verdunkeln sich, wie Magma, das im Fels erstarrt. »Das habe ich mir entgehen lassen. Ich war nicht schnell genug.«
    Putin hat Russlands größte Öl – und Gaskonzerne verstaatlicht, in dem er sie gewaltsam aufgekauft und jeden, der mit seinen Preisen, seinen Methoden und seiner Politik nicht einverstanden war, eingesperrt hat. Die Kontrolle über die Petrochemikalien verleiht ihm genug politische und wirtschaftliche Macht, um ganze Länder in die Knie zu zwingen.
    »Ich habe einen Anruf von oben erhalten.« Er zeigt über seinen Kopf durch mehrere Meter Stein in Richtung der besser bekannten Gebäude des Kreml. »Lachek will den Namen des Obersts, der das AMERCO-Gebäude befreit hat. Er sagt, es sei dringend.«
    »Warum?«
    »Das versuche ich noch herauszufinden, aber in Zusammenhang mit dem, was
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