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Unternehmen Vendetta

Unternehmen Vendetta

Titel: Unternehmen Vendetta
Autoren: Jan Guillou
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    Der Zeigefinger war exakt in der Mitte des zweiten Glieds gekappt worden. Der Schnitt war sauber ausgeführt, und kein Chirurg hätte etwas einzuwenden gehabt.
    Das Problem war, daß der Finger in einem Brief lag, der an Peter Sorman adressiert war, den Staatssekretär im Stockholmer Außenministerium.
    Der interne Sicherheitsdienst bei schwedischen Behörden geht nach eingespielten Methoden vor, um Briefe von ungewöhnlichem Aussehen oder verdächtig dicker Form zu entdekken und zu kontrollieren, und so war der Zeigefinger schon früher am Morgen bei der Durchleuchtung durch die ABAB- Beamten entdeckt worden. Nur zu verständlich, daß es einige Aufregung gab. Weniger verständlich waren einige Beschlüsse.
    Es war der Sicherheitschef des Außenministeriums, Christian Douglas, der mit der Neuigkeit zum Staatssekretär ging und den Vorschlag machte, die Angelegenheit sofort der Polizei zu übergeben.
    Der Brief war jedoch in Palermo abgestempelt, und schon das ließ es geraten erscheinen, ein wenig von der vorgeschriebenen Routine abzuweichen. Es war nämlich nicht schwer zu erraten, welcher von zwei denkbaren Personen der Zeigefinger gehörte.
    Ein Sektionschef bei der Sicherheitspolizei wurde hinzugezogen, erhielt den Brief in einer Klarsichthülle und wurde angewiesen, die anschließende kriminaltechnische Untersuchung in aller Diskretion vorzunehmen. Die Polizei sollte den Originalbrief erhalten, bevor er durch die Hände von einem runden Dutzend Regierungsmitgliedern und Beamten des Außenministeriums gegangen war. Der Sektionschef sagte zu, eine Kopie des Briefes innerhalb einer Stunde zurückzusenden. Anschließend wurde eine Sitzung beim Außenminister anberaumt.
    Bei dieser Konferenz waren außer dem Außenminister Anders Stensson und Staatssekretär Peter Sorman auch die Leiterin der Rechtsabteilung des Außenministeriums, Agnes Corell, sowie der Sicherheitsberater des Ministerpräsidenten anwesend, Staatssekretär Lars Kjellsson.
    Der Brief war, was schon sein makabrer Inhalt hatte vermuten lassen, ein Erpresserbrief. Bemerkenswert daran war, daß sich die Erpressungsdrohung, soweit ersichtlich, gegen den schwedischen Staat richtete und nicht gegen das Privatunternehmen, in dem der Eigentümer des Zeigefingers arbeitete.
    Peter Sorman trug die Fakten vor, da er von den Anwesenden der einzige war, der die ganze Geschichte aus nächster Nähe verfolgt hatte.
    Vor vierzehn Tagen war ein besorgniserregender Bericht aus Rom eingetroffen. Ein schwedischer Botschaftssekretär hatte einen anonymen Tip erhalten. Das von Swedish Ordnance, dem ehemaligen Rüstungsunternehmen Bofors, mit dem italienischen Staat und einigen italienischen Unternehmen vor einigen Jahren wider alle Vernunft und gegen alle gutgemeinten Ratschläge abgeschlossene Geschäft sollte anrüchig sein. Wie allgemein bekannt, ging es um die Bewaffnung von vier neuen Fregatten. Die Schiffe wurden in Italien gebaut, aber die Bewaffnung sollte ab Anfang 1992 von Schweden geliefert werden. Das Geschäft war vor ein paar Jahren sowohl vom Reichstag als auch der Kriegsmaterialinspektion gutgeheißen worden und hatte zu keinerlei Einwänden geführt. Die Grundsätze des schwedischen Waffenexports, die darauf hinauslaufen, daß Schweden nur Waffen an Käufer liefern darf, die dafür garantieren, daß sie die Waffen gar nicht brauchen, waren mühelos erfüllt worden. Der italienische Staat hatte zugesagt, die Ausrüstung nur für den Eigenbedarf zu verwenden, statt sie weiterzuexportieren. Und Italien war kein anrüchiges Land. Und so weiter.
    Der Tip, der die schwedische Botschaft in Rom erreicht hatte, lief jedoch darauf hinaus, daß in Wahrheit nicht vier, sondern nur drei Fregatten gebaut werden sollten. Die Ausrüstung für die vierte Fregatte, so der entscheidende Hinweis, sei für den Weiterexport in den Irak vorgesehen.
    Als internationaler Handelspartner spielte der Irak zwar keine große Rolle mehr, aber es war besorgniserregend genug, daß Waffen dieser Art auf Abwege geraten konnten. Denn es handelte sich um Abschußlafetten sowie rund achtzig Raketen und die entsprechenden Feuerleiteinrichtungen, Luftabwehrkanonen und eine erhebliche Menge Luftabwehrmunition.
    Folglich hatte sich Peter Sorman sofort nach dem Eintreffen des Botschaftsberichts an den Kriegsmaterialinspekteur gewandt, der daraufhin unverzüglich mit dem schwedischen Unternehmen Kontakt aufnahm. Dort hatte man beschlossen, zwei leitende Angestellte nach Rom zu schicken, um
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