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Kanal-Zombies

Kanal-Zombies

Titel: Kanal-Zombies
Autoren: Jason Dark
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Die Gestalt war ein Mann. Die Kälte schien ihm nichts anzutun. Er war nicht einmal warm angezogen oder mit Pelzen umhüllt. Er trug so etwas Ähnliches wie einen hellen Mantel oder ein Gewand, das seinen Körper bedeckte.
    Obwohl der Mann auf dem Boden lag wie ein Toter, lebte er. Und er atmete auch. Schwach kondensierter Atem wehte wie feiner Nebel vor seinen Lippen. Eis lag auf dem dünnen Haar. Auch in den ebenfalls dünnen Augenbrauen klebten die Krusten.
    Wie lange der Mann dort lag, wüsste er wohl selbst nicht. Er schien sich zum Sterben in die Gasse gelegt zu haben, und dabei war ihm jegliches Zeitgefühl verloren gegangen. Sehr lange konnte es nicht sein, denn die beiden Wachleute hatten ihn bei ihrem ersten Streifengang noch nicht entdeckt.
    Jetzt, als sie die Strecke zum zweiten Mal gingen, fiel er ihnen auf.
    Das Licht ihrer starken Lampe war kalt wie das der Sterne. Die Kegel tanzten durch die Dunkelheit und blieben schließlich auf der einsamen Gestalt hängen.
    »Scheiße«, sagte einer von ihnen und blieb stehen. »Schon wieder eine Leiche. Väterchen Frost kennt keine Gnade.« Der Sprecher ging noch drei Schritte vor, dann blieb er neben dem Toten stehen. Sein Kollege schlurfte langsamer heran und stellte die Ohrenklappen der Fellmütze in die Höhe.
    Die Männer waren private Wachleute. Beschäftigt bei einer Firma, die in der Nacht ein E-Werk bewachte, das den gerade im Winter wichtigen Strom lieferte. Es gab immer wieder irre Typen, die sich einen Spaß daraus machten, die Energiezufuhr zu stören. Sei es aus Frust heraus oder aus Hass.
    Es war eine Umgebung, die man am besten mied. Die hohe Mauer an einer Seite. Gegenüber die Rückseiten alter Häuser, die besser einer Abbruchbirne zum Opfer gefallen wären. In den Bauten lebten Menschen. Bei ihnen war es mehr ein Verkriechen als ein Wohnen.
    »Wir legen ihn zur Seite«, schlug der Kleinere der beiden vor. Er hieß einfach nur Don, weil er an diesem Fluss geboren war. »Da hilft sowieso nichts.«
    »Irrtum!«
    »Wieso?«
    Don’s Kollege hatte sich schon gebückt. Das Licht strahlte jetzt direkt das Gesicht an. »Schau mal auf seine Lippen. Da kannst du sehen, wie du dich geirrt hast.«
    Don brauchte einige Sekunden, um zu begreifen. »Stimmt!«, flüsterte er, »du hast Recht. Der atmet.«
    »Ein Wunder?«
    »Keine Ahnung.«
    Auch Don hatte sich gebückt. »Der müßte doch längst hin sein. Bei dieser Kälte. Die verträgt kein normaler Mensch.
    »Kann sein, dass er nicht normal ist.«
    »Hör auf.«
    Beide Männer hatten sich jetzt auf den kalten Boden gekniet. In der Nähe malte sich ein großer runder Gullydeckel ab. Aus seinen Löchern an den Seiten quollen zittrige Dampfschwaden empor. In der Gasse gab es keine weiteren Personen außer ihnen, und sie würden auch allein bleiben.
    Zudem war es dunkel. Nur eine Lampe brannte in der Nähe. Sie stand noch auf dem Gelände des E-Werks und ragte über den Rand der Mauer hinweg. Von dort aus strahlte sie ihr Licht in die Gasse hinein. Auch diese Farbe wirkte wie Eis. Es war alles Eis. Es war nur kalt. Der Frost war gnadenlos. Aber es war zum Glück windstill, sonst wäre es nicht zum Aushalten gewesen.
    »Was machen wir mit ihm?«, fragte Kalek, Don’s Kollege. Er war eigentlich Pole, lebte aber schon seit über 30 Jahren in Moskau.
    »Wecken.«
    »Ist der besoffen?«
    »Riechst du was?«
    »Nein.«
    »Wir können ihn nicht hier liegen lassen. Wir müssen ihn zumindest wecken und ihm dann etwas Warmes überziehen. Alles Weitere wird sich dann ergeben. Los, gemeinsam jetzt!«
    Beide Männer wollten den Schläfer in die Höhe ziehen, aber sie stutzten, als sich ihre Gesichter so nahe an dem des Mannes befanden, dass sie ihn genau sehen konnten.
    »Das gibt es doch nicht!«, flüsterte Kalek.
    »Was denn?«
    »Schau dir mal an, wie alt der ist.«
    Don war erst jetzt darauf aufmerksam geworden, und seine Augen weiteten sich.
    »Wahnsinn, der ist bestimmt... naja, hundert nicht, aber es fehlt nicht viel.«
    »Genau, Don, ziemlich alt.«
    »Und dann lebt er? Unwahrscheinlich. Der hätte längst erfroren sein müssen. Das geht mir nicht in den Kopf. Scheiße, das ist ein Wunder der Natur.«
    »Egal«, sagte Kalek, »pack mit an!«
    Beide Männer wollten zufassen, doch dagegen hatte der alte Mann etwas. Bisher waren seine Augen geschlossen gewesen, oder nur halb geöffnet. Das änderte sich, denn als ihn die Hände anhoben, da drehte er auch den Kopf, öffnete die Augen und schaute die beiden Männer
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