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Sei schlau, stell dich dumm: Biographie

Sei schlau, stell dich dumm: Biographie

Titel: Sei schlau, stell dich dumm: Biographie
Autoren: Bastei Lübbe
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Ein Träumchen
    Eine Hochzeit ganz in Weiß – und zwar mit dem ganzen Tamtam: vier schicke Schimmel, weiße Kutsche, süße Blumenmädchen (am besten in Pink!). Und ich mittendrin mit einem Spitzen-Seiden-Schleifen-Kleid à la Sissi mit meterlanger Schleppe und Krönchen im Haar. Wenn nicht ich, wer denn dann, bitte? Da ich von Haus aus zur Spezies »Mehr ist besser« neige, müsste das doch einer der absoluten Kitsch-Höhepunkte in meinem Leben werden.
    Stopp, stopp, stopp. Wann immer es so weit sein wird, ich will keine große Hochzeit! Viel zu viele Menschen heiraten nicht nur einmal im Leben. Oft genug gibt es zweite Ehen, dritte Ehen, vierte Ehen. Das sind einfach Tatsachen, die mein romantisches Bild von der lebenslangen Verbindung zerstört haben. Deswegen widerstrebt mir eine pompöse Hochzeit. Hinzu kommt, dass es einige Leute geben wird, die der Meinung sind, mitreden und mitentscheiden zu können. Und bevor ich das Risiko eingehe, dass der schönste Tag in meinem Leben in Stress ausartet, hätte ich es lieber ganz schlicht und klein. Wann immer es also so weit sein wird – ich gebe die Hoffnung auf meinen Traummann nicht auf –, werde ich im ganz kleinen Kreis, am allerallerbesten nur ER und ICH , heiraten. Dann kann mir auch niemand den Tag kaputtmachen.
    Mein Name ist Daniela Denise, also Doppel-D. Das kann man sich im Zusammenhang mit mir doch leicht merken. Und mit Daniela Denise habe ich noch echt Glück gehabt. Mein Papa wollte eigentlich Sandra. Wäre auch okay gewesen. Aber meine Mutter, Achtung: festhalten!, wollte mich Chantalle nennen. CHANTALLE ! Bei aller Liebe, das hätte mir doch kein Mensch geglaubt, das wäre echt eine satte Portion zu viel des Guten gewesen. Eine Tussi wie ich, und dann Chantalle. Mehr geht nicht.
    Jetzt habe ich einen halbwegs anständigen Namen, und nur der Rest von mir ist bekloppt.
    Mit den Namen ist das sowieso so eine Sache. Unser Klingelschild sah immer aus wie das von einer Wohngemeinschaft, denn meine Schwester Jennifer heißt Frankhauser (wie ihr Papa), ich bin die Katzenberger (wie mein Erzeuger), meine Mama Iris ist die Frau Klein (wie ihr Ehemann). Der Opa sagt immer zur Mama: »Wie heißt du noch gerade? Ach, ist ja auch egal, Hauptsache, Iris!« Eine der wenigen Konstanten in ihrem Leben.
    Der Mulubenko
    Mein leiblicher Vater ist ein Zigeuner. Ich weiß, ich weiß, das ist politisch nicht korrekt und müsste eigentlich Sinti oder Roma heißen. Oder fahrende ethnische Minderheit. Aber solange mein Vater, der übrigens Jürgen heißt, sich selbst als Zigeuner bezeichnet, ist das ja wohl okay! Er muss schließlich selbst am besten wissen, was er ist und wie er genannt werden will!
    Viele Erinnerungen habe ich nicht mehr an ihn, weil er uns sehr früh verlassen hat. Ich war kaum älter als drei Jahre, als er ging. Aber ich glaube mich erinnern zu können, dass er immer gesagt hat: »Seine Kinder schlägt man nicht, nur seine Frau, wenn sie frech war.«
    Ich weiß nicht, ob meine Mutter frech gewesen ist. Wir Kinder haben nie richtig viel mitbekommen. Vor unseren Augen ist nichts passiert. Aber irgendwie habe ich das Gefühl, dass er es getan hat. Manchmal sah die Mama gar nicht gut aus und war dann auch immer so traurig. Uns, meinen Bruder Tobias und mich, hat er aber nie angerührt. Mit dem Pantoffel hat er manchmal ausgeholt und immer gedroht. Und dann nach uns geworfen. Aber getroffen hat er nie. Er hat immer gerufen: »Der Mulubenko kommt, dann werdet ihr schon sehen! Wartet ab, bis er euch holt, der Mulubenko.« Das ist zigeunerisch und bedeutet »Mann mit Ziegenfuß«. Davor hatten wir Kinder natürlich große Angst. Wer will denn schon einen komischen fremden Mann mit Ziegenfuß zu Hause haben? Dann sind wir schnell in unser Zimmer und haben uns zusammen unter der Bettdecke verkrochen.
    Bis ich zwölf Jahre alt war, habe ich mir mit meinem Bruder ein Zimmer geteilt. Und das war gut so, denn so hatten wir zumindest uns, wenn es nebenan wieder ein bisschen lauter wurde.
    Manchmal hat mein Vater ohne Vorwarnung – einfach so, wenn’s ihm mal wieder nicht geschmeckt hat – mit seinem Essen um sich geschmissen. Zack, wurde der Teller Ravioli an die Wand gepfeffert. Zugegeben, meine Mutter war und ist nicht die beste Köchin (Das hat sie leider an mich vererbt. Liegt kochen eigentlich in den Genen? Muss mal meinen Bio-Lehrer fragen, wenn ich ihn mal wieder sehe.), aber deshalb muss das Essen ja nicht gleich fliegen lernen. Vater war einfach unheimlich
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