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Unternehmen Vendetta

Unternehmen Vendetta

Titel: Unternehmen Vendetta
Autoren: Jan Guillou
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hatte.
    In diesem Augenblick lichtete sich der Nebel erneut. Er betrachtete den Gast, der Fregattenkapitän war, jedoch ohne amerikanische Uniform. Da ging ihm der Zusammenhang auf.
    Er hatte also auf schwedisch geschrieben.
    »This is no fucking good, lobsters don’t write no fucking Swedish«, fuhr er fort. Er preßte sich beide Arme an die Seiten und rieb sie ein paar Mal über die wundgescheuerte Haut, so daß der Schmerz ihn weckte. Dann strich er sorgfältig den schwedischen Satz durch und erzählte, wie die Kameraden in den Topf flögen, einer nach dem anderen. Er selbst jedoch, fuhr er fort, kralle sich mit einer seiner Scheren im Floß fest, während der Riese das Schlauchboot schüttele. Schließlich sei er ein europäischer Hummer aus dem Atlantik mit Scheren und keine gottverfluchte, mutterfickende, scherenlose Languste aus Kalifornien.
    Es war kein Eis mehr da. Die stickige heiße Luft dampfte. Inzwischen war mehr als die Hälfte der Kameraden eingeschlafen und hinausgetragen worden. War es möglich, daß sie wegen eines einzigen idiotischen Aufsatzes die halbe Klasse aus dem Rennen warfen?
    Es hatte einen Sinn, auszuhalten und weiterzumachen. Der Mann da unten. Luigi hatte seinen Namen vergessen, wußte aber sehr wohl, daß es um etwas ging. Das mußten alle im Saal wissen, wenn sie noch sehen oder denken konnten.
    Der europäische Atlantikhummer hat eine besondere Eigenheit, schrieb er verbissen weiter und fühlte dann, wie die Übelkeit in ihm aufstieg und wie der Kopf ihm nach vorn zu fallen begann, als preßte ihn ein riesiges Gewicht - die Hand dieses Riesen -, auf das Schreibpult. Er rieb sich so hart die wunden Stellen an den Ellbogen, daß er vor Schmerz leise aufstöhnte. Als der Nebel sich für ein paar Augenblicke lichtete, sah er, daß die meisten im Saal schon hinausgetragen worden waren. Joe saß aber noch da, nur ein paar Meter von ihm entfernt.
    »Joe«, flüsterte er. »Hast du gesehen, wer da unten sitzt?«
    Joe hörte ihn zwar, sah ihn mit seinen blutunterlaufenen Augen aber nur verständnislos an. Vielleicht hatte er es auf italienisch gesagt?
    »Teufel auch, Joe…«, fuhr er fort, gab aber sofort auf, da er selbst nicht verstand, was er sagte. Joe nickte ihm zu und führte dann mühsam den Bleistift auf das Papier, das vor ihm lag.
    Luigi rieb sich erneut die Wunden und versuchte, seine letzten Zeilen durchzulesen, und gerade in dem Augenblick, in dem der Kopf erneut von dem unsichtbaren Riesen auf die Tischplatte gepreßt wurde, gelang es ihm, ein paar neue Wörter hervorzuzwingen.
    Die Scheren des europäischen Hummers sind unregelmäßig gezackt. Da eine dieser Zacken sich in dem gottverdammten Schlauchboot verhakt hat, kann ich nicht in den Topf fallen, wie sehr der Riese das Schlauchboot auch schüttelt, schrieb Luigi und verlor das Bewußtsein.
    Als sie ihn schüttelten und fluchend auf ihn einredeten, entdeckte er, daß er als letzter oder vorletzter aufgegeben hatte. Man schleifte ihn jedoch nicht auf dem gleichen Weg hinaus wie die anderen, sondern gab ihm den Befehl, sich mit dem letzten oder vorletzten Überlebenden, der nicht Joe war, in einem Raum zu melden, der hinter dem Hörsaal lag.
    Luigi bewegte sich langsam. Die Knie waren dermaßen angeschwollen, daß sie sich wie kleine Fußbälle anfühlten. Er stolperte breitbeinig und taumelnd zur Tür, bis er erneut in Schlaf fiel, diesmal mit dem Gesicht an der Tür. Als er dabei war, zu Boden zu gleiten, schmerzte die sonnenverbrannte Wange unter der Reibung an der Tür, und er klopfte an, während er sich gleichzeitig wieder hochzwang. Er hörte nicht, ob jemand »Herein« sagte, aber der Selbsterhaltungstrieb brachte ihn dazu, nicht stillzustehen. Er öffnete die Tür und torkelte in den angrenzenden Raum.
    Zwei der Ausbilder saßen hinter einem Schreibtisch. Der Fregattenkapitän mit der Sonnenbrille stand schräg dahinter und hatte die Arme auf der Brust verschränkt. Luigi versuchte einen Gesichtsausdruck zu finden, den er deuten konnte, aber das Bild verschwamm ihm immer wieder vor den Augen.
    »Soldat Bertoni!« brüllte einer der Ausbilder und warf ein paar Papiere auf die Schreibtischplatte. »Was ist das hier für ein verdammter Bullshit, Soldat Bertoni? Glauben Sie, SEAL sei so eine Art Kindertagesstätte?«
    »Nein, Sir«, erwiderte Luigi und spürte im selben Moment, wie ihm der Kopf nach vorn fiel, so daß er fast zu Boden gegangen wäre. Er entdeckte, daß neben ihm ein Mann stand, der in der gleichen
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