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Im Schatten des Kreml

Im Schatten des Kreml

Titel: Im Schatten des Kreml
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knirscht er. »Ich habe fünfzig Männer im Dorf.«
    Das ist eine leere Drohung. Der falsche Tschetschene hat wenig Loyalität gesät. Alles, was er mit seinem Geld und seinen Versprechungen hat kaufen können, war die Skrupellosigkeit der kontraktniki, der Söldner, die an nichts glauben. Aber selbst wenn er so viele Männer auf seiner Seite hätte, würde es keinen Unterschied machen.
    Ich erhebe mich. Packe die halb volle Flasche Wein am Hals und ziehe sie ihm über den Schädel. Sie zerspringt, Wein und Blut laufen über sein Gesicht. Er knurrt etwas, hält die Hände an den Kopf gepresst und geht in die Knie. Ich werfe den Tisch zwischen uns um. Ramme ihm mein Knie unters Kinn und bringe ihn endgültig zu Fall, reiße seine Arme weg und stoße ihm das zerbrochene Ende der Flasche ins Gesicht...
    Dann lasse ich die Flasche fallen. Meine Hände sind rot und glitschig. Seine auch, als er versucht, die filetierten Fleischstücke, die einmal sein Gesicht waren, zusammenzuhalten. Blut rinnt zwischen seinen Fingern hindurch und über die Handgelenke. Der Raum scheint zu schwanken, als ich wieder auf die Beine komme. Sie alle starren uns an. Valja. Yusup. Matthews. Die beiden Männer aus der Scheune. Mich und Khanzad, der gurgelnd am Boden liegt und dessen Blut wahrscheinlich einen permanenten Fleck dort hinterlassen wird, so ähnlich wie damals im Lagerhaus das von Melnik, eines der vielen Opfer von Khanzads Niederträchtigkeit.
    »Bist du wieder okay?«, fragt Valja.
    Ich reiße eines der Tischtücher herunter und wische mir die Hände daran ab.
    Sie schickt die beiden Kämpfer nach draußen, um Wache zu halten, kommt dann zu mir und sieht unbewegt auf den falschen Tschetschenen hinunter.
    »Du solltest das zu Ende bringen.«
    Sie hat recht. Khanzads Tage als heuchlerischer Makler des Elends sind vorbei, aber er hat immer noch das Geld und die Kontakte, mich auf unvorhersehbare Weise ermorden zu lassen. Mit einem so scharfen Messer im Rücken lässt es sich schlecht leben.
    Ich hebe die Kalaschnikow eines der gefallenen Bodyguards auf; das Gefühl, sie in den Händen zu halten, und ihr Gewicht sind mir bestens vertraut. Zum ersten Mal seit Monaten habe ich keine Zweifel. Bei Khanzad bin ich mir sicher. Ich bin in der Lage, über ihn zu urteilen. Matthews will etwas sagen, überlegt es sich dann aber anders und verschränkt die Hände hinterm Rücken. Abgesehen von Khanzads Röcheln ist alles ruhig und still. Ich feuere schnell hintereinander drei Schüsse auf ihn ab. Sein massiger Körper bäumt sich mit jeder Kugel auf; schließlich rutscht ihm die Hand aus den Überresten seines Gesichts, und er gibt keinen Laut mehr von sich.
    »Wolltest du etwas sagen, Matthews?«, frage ich grob und fächere mir den Pulverdampf aus den Augen. »Dass ich ihn verschonen soll, vielleicht? Etwas, das nobel klingt, in Wirklichkeit aber nur eigennützig und sinnlos ist?«
    »Ich wollte nur vorschlagen, ihn am Leben zu lassen, bis wir das Mädchen haben«, erwidert er sanft.
    Ich schultere das Gewehr und gehe in Richtung Küche voran. Eine rot gestrichene Betontreppe geht nach hinten hinaus. Ein Stockwerk höher befindet sich ein schmaler Flur mit zwei Zimmern auf jeder Seite, keine der Türen ist verschlossen. Im hintersten Raum steht ein Metallbett mit einer nackten Matratze. Galina liegt auf dem Bett, geknebelt und Hände und Füße an den Bettrahmen gefesselt. Als wir eintreten, presst sie die Augen mit aller Kraft zusammen und wirft sich hin und her.
    Sie trägt ein locker sitzendes braunes Kleid und ist dünn wie ein Strichmännchen. Sie sieht verdreckt aus, ihr Haar ist ungewaschen und verfilzt. Auf der linken Seite hat sie ein blaues Auge, darüber prangt ein dicker Kratzer, der oberhalb der Augenbraue anfängt und unterhalb des Knebels endet, einem zusammengedrehten blauen Kopftuch, durchnässt von ihrem Speichel. Valja läuft zu ihr, entfernt den Knebel, streichelt ihre Wangen und flüstert ihr etwas ins Ohr, während Yusup und Matthews vorsichtig ihre Fesseln lösen. Als sie Valjas beruhigende Stimme hört, öffnet Galina die Augen. Haselnussbraun, weit aufgerissen und angsterfüllt. Das kokette Mädchen, das über die Schulter in die Kamera lächelte, wird es nie mehr geben.
    Auf der Fahrt zurück zur Scheune schmiegt sich Valja an mich. »Was passiert, wenn du wieder in Moskau bist?«
    »Ich liefere meinen Bericht ab und gebe Konstantin und dem General das Video und das Ei. Sollen sie entscheiden, was sie damit machen.
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