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Im Schatten des Kreml

Im Schatten des Kreml

Titel: Im Schatten des Kreml
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Galina... Galina bringe ich zu Barokov, damit er sie ihrer Familie übergeben kann.«
    Ihr Blick brennt auf meiner Wange. »Lass es gut sein, Alexei. Wir haben getan, was wir konnten. Jetzt liegt es an ihr und an den Menschen, die sie lieben.«
    Ich sehe in den Rückspiegel. Galina schläft in eine Decke gewickelt auf einer der Metallbänke, mit dem Kopf auf Yusups Schoß. Der alte Mann hat sie allein durch die Straßen getragen und jede Hilfe abgelehnt; jetzt hält er sein Gewehr mit einer Hand und den freien Arm hat er schützend um ihre Hüfte gelegt. Im Schlaf wirkt ihr Gesicht friedlich und glatt, sanft genug, um noch Hoffnung für sie zu haben. Die anderen, einschließlich Matthews, sitzen auf der anderen Bank und schweigen.
    Ich sehe wieder in Valjas rauchfarbene Augen, die voller Vertrauen sind, aber auch selbstsicherer, als ich sie in Erinnerung habe. Mir wird bewusst, dass auch sie sich verändert hat. Sie ist unglaublich erfahren für ihr Alter, und sie hat das Beste aus sich und ihrem Leben gemacht.
    »Was passiert, nachdem du deinen Bericht abgegeben hast?«, fragt sie weiter.
    »Dann haben sie weniger als vierundzwanzig Stunden, um zu entscheiden, was zu tun ist. Danach ist der Sender nicht mehr zu gebrauchen. Ist Yusup dabei?«
    Sie wirft einen Blick nach hinten. »Ja. Er macht mit. Nicht, weil er der Meinung ist, Abreg müsse sterben, sondern weil die anderen es müssen. Er hat recht. Die neuen Anführer sind viel schlimmer – wenn er es nicht tut, tue ich es.«
    Mein Mund ist plötzlich trocken. Ich steuere um einen Haufen Schmutz und Steine, der auf den Pfad gespült wurde.
    »Was ist?«, fragt sie.
    Noch durch den Pulvergeruch hindurch riecht sie gut und sauber, wie warme Vanille. Valja ist nicht unschuldig, aber sie ist schuldlos, ein großer Unterschied in meinen Augen.
    »Ich mache es nicht, solange du mir nicht versprichst, weit weg von diesem Sender zu bleiben.«
    Sie lehnt sich mit dem Rücken gegen meine Schulter und streckt die Füße auf dem Beifahrersitz aus. »Wie weit entfernt ist es sicher?«
    »Fünf Kilometer.«
    Sie lacht. »Im Ernst.«
    »Das meine ich ernst. Versprich mir, dass du mindestens so weit entfernt bist.«
    Sie blickt nachdenklich aus dem Fenster und sieht einige Stare in den tiefen blauen Abgrund zwischen zwei hoch aufragenden Bergrücken hinabstoßen.
    »Ich verspreche es«, sagt sie schließlich leise.
    Als sie sich ein paar Minuten später zu mir umdreht, sind ihre Augenbrauen zusammengezogen. Sie legt ihr Kinn auf meine Schulter. »Was passiert danach?«, fragt sie, und viel zu spät wird mir klar, dass dies die Frage ist, die sie die ganze Zeit gestellt hat, und die für uns beide die wichtigste ist.
    »Wir müssen das Beste daraus machen.«
    »Ja«, sagt sie, und ein strahlendes Lächeln erscheint auf ihrem Gesicht. »Das werden wir.«

55
    Matthews, Charlie, Galina und ich sitzen hinten im Ural, während unser Fahrer sich mit der Pfeife zwischen den Zähnen von Tindi zurück zu Grosnys Militärbasis Chankala kämpft. Diesmal nehmen wir den direkten Weg, und es gibt keinen Führer mit Astrachanmütze, der uns in die falsche Richtung und über haarsträubende Pfade lenkt. Charlie hat sich mit Galina zusammengetan, und die beiden tuscheln den größten Teil der Fahrt über in einem Mischmasch aus Englisch und Russisch. Für ein paar Kilometer hege ich den Traum, dass beide wieder gesund werden. Von Chankala aus fliegen wir in einem Transportflugzeug direkt nach Moskau, durch einen Sturm hindurch, der die Maschine wie einen Papierdrachen hin und her wirft.
    Der Pilot kündigt uns per Funk an, sodass Barokov uns bereits am Schukowski-Stützpunkt erwartet. Er nickt mir dankend zu, aber bevor wir ein paar Worte wechseln können, werde ich schon weitergeschoben. Er bringt Galina in ein Krankenhaus, wo ihre physischen Verletzungen untersucht und behandelt werden. Danach schließt er ihre Akte, und Galina und ihre Familie müssen Zusehen, wie sie klarkommen – oder auch nicht.
    Matthews und ich werden getrennt befragt. Zwei von Konstantins Leuten hören sich meine Geschichte an und bitten mich, sie zu wiederholen. Sie löchern mich mit Fragen. Immer und immer wieder gehen sie dieselben Punkte durch. Als sie alles aus mir herausgequetscht haben, werde ich in ein fensterloses Büro gesetzt, in dem sich lediglich ein Metalltisch und ein Stuhl befinden. Dort muss ich warten. Aber das ist kein Drama, weil ich sowieso weiß, was am Ende dabei herauskommen wird. Es gibt viele
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