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Im Schatten des Galgens Kommiss

Im Schatten des Galgens Kommiss

Titel: Im Schatten des Galgens Kommiss
Autoren: Hans E. Koedelpeter
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die Flammen des Kamins.
    Sein sonst immer etwas blasses Gesicht wirkte im Schein des lodernden Feuers durchsichtig. Nur unter dem Kinn und am Haaransatz traten einige dunklere Stellen hervor. Es waren jene Stellen, die sein an sich männliches Gesicht ein wenig verunschönten. Doch nur bei ganz genauer Betrachtung und je nach dem, wie sein Gesicht vom gegenwärtigen Licht angestrahlt wurde, konnte man dies erkennen.
    Es waren die Zeichen jenes Tages, an dem er zusammen mit einigen führenden Männern seines väterlichen Werkes auf dem Luftweg nach Freetown, der Hauptstadt des unter englischem Hoheitsrecht stehenden südafrikanischen Gebietes Sierra Leone war, — und hierbei die Maschine brennend in den unzugänglichen Busch abgestürzt war.
    Jahre waren seit diesem Unglückstag vergangen, aber die Erinnerung an diese fürchterliche Katastrophe, die außer ihn nur noch zwei weitere Passagiere überleben ließ, war noch so frisch, als wäre dieser Tag erst gestern gewesen. Damals hatte Bud Whitmen außer einem gewaltigen Nervenschock, einigen Quetschungen und blauen Flecken, auch diese Brandwunden im Gesicht davongetragen. Doch alles in allem hatte er noch Glück bei diesem Absturz im afrikanischen Busch gehabt. Er war noch einmal mit dem Leben davongekommen. Wogegen die anderen . . .
    An diesen Tag mochte der junge Whitmen wohl gerade jetzt wieder denken. Denn während er wie unabsichtlich mit den Fingerspitzen seiner rechten Hand über die kleinen Unebenheiten an seinem Kinn strich, zog sich sein Gesicht wie unter einem physischen Schmerz zusammen. Sheila Longden beobachtete ihn über den Buchrand hinweg und riß den jungen Mann aus seinen Grübeleien.
    „Bud", klang ihre wohltönende Stimme leicht besorgt auf, „warum grübelst du in den letzten Tagen wieder so oft an dieser leidigen Geschichte herum? Versuch sie doch endlich zu vergessen."
    Bud Whitmen zuckte bei ihren ersten Worten merklich zusammen. Es hatte dabei den Anschein, als wäre er bei einer unerlaubten Tat ertappt worden. Doch schon hatte er sich wieder gefangen. Dennoch meinte er mit einem schmerzlichen Gesichtsausdruck.
    „By gosh, Sheila — man sollte es wahrhaftig vergessen. Aber kann ein Mensch eine Wunde so einfach abtun, die stets von neuem aufbricht?"
    „Wenn der betreffende Mensch den Willen dazu hat, wird er die Vergangenheit auslöschen können", erwiderte das Mädchen mit fester Stimme.
    Erstaunt sah der junge Mann das vor ihm sitzende Girl an. Noch nie hatte es so deutlich gezeigt, wie sehr ihr ein Mensch zuwider war, der sich nicht von einer längst vergangenen Sache frei machen konnte. Leicht beschämt wanderte der Blick Bud Whitmens von der Frau fort und glitt wieder zu den knisternden Holzscheiten im Kamin hin.
    Ohne Umschweife beendete er das Gespräch — und wandte sich, ohne seinen Blick zu heben, dem Mädchen zu: „Was anderes", versuchte er seiner Stimme wieder einen festen Klang zu geben, „weißt du den Grund, warum uns Dad unbedingt heute Abend zusammengetrommelt hat?"
    Leicht zuckte Sheila mit den Schultern. „Das entzieht sich diesmal meiner Kenntnis", meinte sie und fügte hinzu: „Ich dachte, du wüßtest es, warum wir hier auf ihn warten sollen."
    „Hm — keine Ahnung", knurrte Bud leise vor sich hin.
    Keiner der beiden jungen Leute hatte auf die in ihrem Rücken befindliche Tür geachtet, durch die in diesem Moment die hohe Gestalt F. Howard Whitmens in den Salon getreten war. Als er die beiden so einträchtig nebeneinander sitzen sah, huschte über sein in der letzten Zeit so ernstes Gesicht der Anflug eines Lächelns. Nun, vielleicht war das, was er heute Abend klären wollte, doch nur eine reine Formsache, ging es dem alten Mann durch den Sinn — und mit stiller Hoffnung in seinem Herzen näherte er sich den beiden. Obwohl die dicken Perserteppiche des Raumes jedes Geräusch verschluckten, vernahm Bud Whitmens scharfes Gehör — oder war es seine ständige Wachsamkeit — den kaum vernehmbaren Schritt seines Vaters.
    „Good evening, Dad!" schnellte er sofort hoch, nachdem er seinen Vater erblickt hatte.
    „Bleibt sitzen, Kinder", erwiderte der alte Whitmen gutgelaunt — und zog einen abseits vom Kamin stehenden wuchtigen Sessel näher an das Feuer heran.
    Kaum hatte er sich gesetzt, sah er auch schon die gespannten Blicke der jungen Leute auf sich gerichtet. So sah er sich veranlaßt, sogleich auf den Kern der Sache zu sprechen zu kommen.
    Einmal holte er noch tief Luft, dann begann er mit ruhiger
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