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Honor Harrington 11. Wie Phoenix aus der Asche

Honor Harrington 11. Wie Phoenix aus der Asche

Titel: Honor Harrington 11. Wie Phoenix aus der Asche
Autoren: David Weber
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    Admiral Lady Dame Honor Harrington stellte sich dem stummen emotionalen Wirbelsturm auf der Hangargalerie von ENS Farnese und kämpfte gegen ein starkes Schwindelgefühl an.
    Durch das Armoplastfenster im Galerieschott blickte sie in den strahlend hell erleuchteten, makellosen Hangar und versuchte, dessen ungerührte Sterilität als geistigen Schild gegen den Gefühlsorkan zu wenden, ohne dass ihr dieser Kniff sonderlich viel nutzte. Wie tröstlich: Sie brauchte sich dem Gefühlschaos wenigstens nicht allein zu stellen; als sich der Baumkater im Traggestell auf ihrem Rücken rührte, verzog sie unwillkürlich die bewegliche Hälfte ihres Mundes zu einem schiefen Grinsen. Nimitz hatte die Ohren halb an den Kopf gelegt, denn auf ihn drangen die gleichen emotionalen Böen ein. Wie alle Angehörigen seiner empathisch begabten Spezies war er für die Gefühle anderer Wesen jedoch weit empfänglicher als Honor, und er wusste scheinbar nicht so recht, ob er der schieren Intensität des Augenblicks panikartig entfliehen oder das euphorische Hochgefühl genießen sollte, das ihm durch den Endorphin-Überschuss seiner Umgebung erwuchs.
    Honor sagte sich, dass sie und ihr Kater Situationen wie diese immerhin gewöhnt seien. Schon über drei Standardwochen lag der umwerfende Moment zurück, in dem ihre Leute begriffen hatten, dass ihre zusammengeschusterte und improvisierte Kampfgruppe – von ihnen selbst halb-spöttisch ›Elysäische Navy‹ genannt – tatsächlich einen kompletten havenitischen Kampfverband vernichten und genügend Schiffsraum kapern konnte, um jeden Häftling in die Freiheit zu transportieren, der den Gefängnisplaneten Hades verlassen wollte. Damals hatte Honor geglaubt, nichts könne dem Triumphsturm gleichkommen, der in diesem Augenblick des Begreifens durch ihr ehemals havenitisches Flaggschiff donnerte – nur für sie und Nimitz hörbar. Doch in mancher Hinsicht erschien ihr das Frohlocken, das nun auf sie einströmte, noch stärker. Während der Reise von der Gefängniswelt, welche die Volksrepublik Haven für die ausbruchsicherste Strafanstalt aller Zeiten gehalten hatte, war die Vorfreude der ehemaligen Gefangenen auf ein Leben in Freiheit zu einem regelrechten Siegestaumel angewachsen. Einige Entkommene, wie etwa Captain Harriet Benson, die Kommandantin von ENS Kutuzov , hatten seit über sechzig T-Jahren nicht mehr die Luft eines freien Planeten geatmet. Diesen Menschen blieb kein Rückweg in das Leben, aus dem sie gerissen worden waren, doch brannte in ihnen heiß das Bedürfnis, ein neues zu beginnen. In ihrer Ungeduld waren sie nicht allein. Kriegsgefangene, die nur wenig Zeit im Gewahrsam des havenitischen Amts für Systemsicherheit verbracht hatten, wollten ihre Lieben wieder sehen; und im Gegensatz zu den ehemaligen Häftlingen, die Jahrzehnte auf dem Planeten verbracht hatten, den alle Hell, Hölle, nannten, konnten sie das Leben wieder aufnehmen, mit dessen Ende sie sich bereits abgefunden hatten.
    Diesem Verlangen nach einem Neubeginn stand ein ebenso starkes Gefühl im Wege, das man mit gewissem Recht Bedauern nennen durfte: das Bewusstsein, an einer Geschichte teilgenommen zu haben, die andere immer wieder erzählen und ausschmücken würden, bis sie größer geworden war als die Wirklichkeit – und die bittere Erkenntnis, dass alle Geschichten einmal enden.
    Honors Leute waren sich bewusst, dass sie einen unbezwingbar anmutenden Widerstand überwunden hatten und nun deshalb diesen Augenblick erleben durften: in diesem Sonnensystem auf dieser Hangargalerie zu stehen. Angesichts dieser Leistung konnten alle Ausschmückungen nur unnötig erscheinen, welche die Geschichte – gewiss von allein – im Laufe der Jahre erführe. Sie wären nichts als oberflächlicher, belangloser Zierrat.
    Hier aber lag das Bedauern begründet: Sobald Honors Leute die Farnese verließen, ließen sie auch die Gefährten zurück, mit denen sie diese wahre Geschichte geschaffen hatten. Unausgesprochen wussten sie alle, dass es Menschen nicht vergönnt ist, Augenblicke wie diese zu bewahren – solche Momente berühren sich mit dem Leben nur flüchtig. Nie würden sie vergessen, was sie erlitten und was sie unternommen hatten, aber ihnen gehörte nur die Erinnerung, die Wirklichkeit entzog sich ihrem Besitz. Und je mehr die beklemmende Furcht und das Entsetzen nachließ, die sie in ihrem Herzen auch nach der Flucht noch immer empfanden, desto kostbarer und unerreichbarer würde ihnen die Wirklichkeit
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