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Im Schatten des Galgens Kommiss

Im Schatten des Galgens Kommiss

Titel: Im Schatten des Galgens Kommiss
Autoren: Hans E. Koedelpeter
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Lächeln hatte Jean Embroke ob dieser Worte seines bisherigen Chefs übrig. Er ergriff wortlos sein nunmehriges Eigentum — und schickte sich an, der Susanne und ihrem brummenden Kapitän „adieu!" zu sagen.
    Sekunden danach stand Jean Embroke bereits auf dem Oberdeck der Susanne — und da er keinen weiteren Freund unter den Besatzungsmitgliedern des alten Pottes besaß, somit auch keinem anderen Menschen „Lebewohl!" zu sagen brauchte, strebte er mit schlaksigen Schritten — die an ihm den jahrelangen Seemann erkennen ließen — dem Fallreep der Susanne zu.
    Noch einmal warf er einen kurzen Blick über das Schiff. Glaubte er zunächst so etwas wie Wehmut zu empfinden, als seine Augen über das Steuerhaus glitten, so waren diese Gefühle nur zu schnell wieder erloschen.
    Mit einem tiefen Atemzug setzte er auch schon seinen Schritt auf das leicht schaukelnde Fallreep — und zurück blieb wieder ein Abschnitt seines zwar noch jungen, aber trotzdem turbulenten Lebens . . .
    Zurück blieb auch eine gewisse Sicherheit und Geborgenheit, die ihm die ,Susanne' in den letzten Jahren gegeben hatte. Als Steuermann galt sein Leben noch etwas. Was aber würde die Zukunft für ihn bringen? Diese Frage beschäftigte Jean Embroke sogleich, als er festen Boden, Heimatboden, unter seinen Füßen verspürte.
    Obwohl er sich noch nicht klar über diese Frage werden konnte, zögerte er nicht, den Weg zu gehen, den er seiner Meinung nach zu gehen hatte. Was Jean Embroke zur Stunde noch nicht ahnen konnte, war, daß auf seinem Wege Tod und Verderben in reichem Maße lagen . . .
    Ein Mann setzte nach zehnjähriger Abwesenheit seinen Fuß wieder auf Londoner Boden — und mit diesem Zeitpunkt begann für eine gewisse Familie das Sterben . . .
    Warum? Diese Frage sollte leider zu spät ihre Beantwortung finden . . .
    Im Augenblick jedoch verschwanden zwei Schatten im Grau des über der Stadt und dem Hafen liegenden Herbstnebels. Voran schritt Jean Embroke — und seine weit ausschreitenden Schritte machten dem kleinen Tschu Ly-Chuang einige Mühe, ihm zu folgen.
     
    *
     
    Im Stadtteil Kensington — unweit des Hyde Parkes — lag ruhig und friedlich inmitten eines sattgrünen englischen Gartens der stattliche Sitz der allseits geachteten Familie F. Howard Whitmen . . . Obwohl das weitläufige Gebäude mit seinen Seitenflügeln kein eigentliches Schloß war, wurde es dennoch allerorts als „Whitmen-Castle" bezeichnet.
    Dieser Name kam dabei keineswegs von ungefähr, denn sowohl das Haus in Kensington selbst, als auch dessen Besitzer, schienen förmlich in Reichtum und Wohlstand zu ersticken. Dabei waren die Menschen, die in diesem feudalen Haus wohnten, nicht etwa von hoch- herrschaftlichem Geblüt, sondern hatten alles, was sie ihr Eigentum nannten, durch zähe, unermüdliche Arbeit im Laufe der letzten vier Generationen geschaffen und erworben.
    Die Früchte ihrer Väter genossen nun die Menschen, die auf „Whitmen-Castle" wohnten und aus dem gleichen Holz geschnitzt waren wie alle Whitmens zuvor.
    Aus einer kleinen Schmiedewerkstatt, die jetzt noch am ostwärtigen Stadtrand von London stand, war ein riesenhaftes Industriewerk geworden. Allen, die auf der Insel nur irgend etwas mit Stahl und Eisen zu tun hatten, war der Name Whitmen ein Begriff.
    Es war somit nicht verwunderlich, daß „Whitmen-Castle" mehr und mehr in gesellschaftlicher Hinsicht zu einem Treffpunkt der Industriekönige aus aller Welt wurde. Die kleinen und großen Feste, die hin und wieder auf „Whitmen-Castle" stattgefunden hatten, waren allen Beteiligten in guter Erinnerung geblieben.
    Seit einiger Zeit aber war es ruhiger in den Räumen von Whitmen-Castle geworden.
    Diese Änderung fand seine Ursache wohl darin, daß der einzige Sohn von F. Howard Whitmen nicht so sehr den Trubel und die Heiterkeit liebte, wie es die Alten vor ihm getan hatten. Er teilte nicht deren Lebensauffassung; nach getaner, harter Arbeit Entspannung und Freude in geselligem Kreise Gleichgesinnter zu schöpfen.
    Bud Whitmen war ein stets freundlicher, aber auch ruhiger Mensch. Seine Interessen in Punkto Zerstreuung lagen auf einem anderen Gebiet. Er zog es vor, anstatt wie sein Vater und Großvater rauschende Feste zu geben, allein oder — wie es auch hin und wieder vorkam — mit Sheila Longden, der Pflegetochter seines alten Herrn, die nun schon seit ihrem zweiten Lebensjahr auf Whitmen-Castle war, ins Theater zu gehen oder Galerien und Museen zu besichtigen.
    Hierin glaubte Bud
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