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Im Schatten des Galgens Kommiss

Im Schatten des Galgens Kommiss

Titel: Im Schatten des Galgens Kommiss
Autoren: Hans E. Koedelpeter
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jungen Paar. Er trank noch genießerisch einen kleinen Schluck des tiefroten Burgunders — und meinte, während er das Glas hinter sich auf einen niedrigen Tisch zurückstellte: „So, jetzt habe ich alles, was mir auf der Seele lag, heruntergeredet. Nun liegt es an euch, ob meine stille Hoffnung sich erfüllen wird. Dabei aber könnt ihr mich nicht gebrauchen, und darum lasse ich euch allein."
    Genauso geräuschlos wie F. Howard Whitmen den Salon betreten hatte, verschwand er auch wieder. Zurück blieben zwei junge Menschen, die sich genauso verschmitzt ansahen, wie sie es immer als Kinder getan hatten, wenn sie gemeinsam etwas ausgeheckt und daraufhin von F. Howard Whitmen eine Standpauke erhalten hatten.
    Wiederum mußten sie nun einen Weg finden, um sich den Verhältnissen entsprechend einigermaßen gut aus der Affäre zu ziehen. Nur ging es diesmal nicht allein um das Wohlwollen des Familienvorstandes, sondern mehr um ihre eigene Zukunft — um ihr Glück . . .
    Nicht lange währte das Schweigen des jungen Paares in dem gemütlichen Salon von
    „Whitmen-Castle". Und so vernahm der dem Mitteltrakt des riesigen Gebäudes langsam zustrebende F. Howard Whitmen noch den Anfang des sich zwischen seinem Sohn und Sheila Longden entspinnenden Gesprächs. Zunächst war es die etwas raue und heisere Stimme seines Sohnes.
    „Sorry, Sheila, da ist uns beiden ja ganz schön eingeheizt worden. Zuvor aber meinen herzlichen Glückwunsch. By gosh, jetzt bist du ja, wie man so sagt, eine ganz gute Partie."
    „Red kein dummes Zeug, Bud", kam augenblicklich die erregte Antwort des Girls, „laß uns jetzt nicht wieder sofort ins Spaßige verfallen. Die Sache, die dein Vater hier soeben zur Sprache gebracht hat, ist verdammt ernst."
    „Well, du hast recht! Dad will also aus uns beiden ein Paar machen. Überlegen wir also einmal in aller Ruhe, ob wir uns auch weiterhin so gut wie bisher vertragen können. Vertragen und — lieben, wie es in einer richtigen Ehe wohl sein sollte."
    „Yes, überlegen wir!"
    Der Ton, mit dem sich die beiden im Salon von „Whitmen-Castle" unterhielten, ließ in dem alten Mann, der nur mühsam die geschwungene Treppe zu den oberen Räumen emporstieg, eine gewisse Hoffnung, eine erneute Hoffnung, aufkommen.
    Trotz des ihn wieder mit aller Macht überfallenden Unwohlseins und seinem starken Bedürfnis, sich augenblicklich zur Ruhe zu legen, glitt über das vor Schmerz verzerrte Gesicht F. Howard Whitmens ein befriedigendes Lächeln.
    ,Sie werden sich schon einig werden', waren seine letzten Gedanken an diesem Abend, bevor er unter der Wirkung eines schmerzstillenden Mittels in einen ruhigen Schlaf fiel . . .
    Nicht so hoffnungsvoll, und trotz seines bedenklichen Zustandes mit sich und der Welt zufrieden, wäre F. Howard Whitmen gewesen, hätte er nur insgeheim geahnt, wie schnell sich bedrohliche Wolken über „Whitmen-Castle" zusammenziehen sollten . . .
    Auch die beiden jungen Leute unten im Salon bemerkten nicht die Gestalt, die scheinbar nun genug gehört hatte und lautlos den bisherigen Lauscherposten am äußersten Fenster des Mitteltraktes aufgab — und im Schatten des im Dunkel liegenden Parkes untertauchte. Der Mann, dessen schwache Umrisse sich nur undeutlich an den Wänden von „Whitmen- Castle“ abhoben, schien sich in dem weitverzweigten Park genau auszukennen. Sofort schlug er den kürzesten Weg zum hinteren Parktor ein und befand sich wenig später außerhalb des Besitztums von „Whitmen-Castle" . .. Das Gesicht dieses Mannes sah finster und verbissen aus — und die Gedanken, die sich hinter seiner Stirn befanden, waren alles andere als gute . . .
     
    *
     
    „. . . Er ist da!"
    Aufgeregt klangen diese drei Worte in der Hörmuschel eines altmodischen, in dem Küchenraum einer in der Tench-Street von Wapping befindlichen Kaschemme angebrachten, Apparates auf. Lange klang dieser Ruf nach. So lange, daß der Anrufer schon glaubte, sein Freund am anderen Ende der Leitung hätte seine Worte nicht verstanden.
    „Hörst du?" knarrte darum noch einmal seine gehetzte Stimme auf.
    „Ich habe gesagt: er ist da! Er ist hier in London! Und wenn ihr euch nicht bald sputet, wird der Boß verdammt ungemütlich werden, wenn er erfährt, daß ihr den günstigsten Zeitpunkt verpaßt habt, um den Burschen abzufangen."
    Das Gesicht des Mannes, der diese Worte vernahm, verzog sich zu einer Fratze. Seine kalten, stumpfsinnigen Augen durchwanderten den Raum, glitten durch die Tür zum Schank- raum
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