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Im Schatten der Pineta

Im Schatten der Pineta

Titel: Im Schatten der Pineta
Autoren: Marco Malvaldi
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einen auch schon zu Hause ab.«
    »Entschuldige, Gino, erklär mir mal, was die Albaner damit zu tun haben. Und abgesehen davon: Woher weißt du, dass sie zu Hause ermordet worden ist?«
    »Sie hatte Pantoffeln an, welche aus Plüsch. Mit solchen Pantoffeln geht sonst nur die Siria vor die Tür, und die lebt bekanntlich noch, auch wenn sie nicht mehr alle Tassen im Schrank hat, also muss das Mädchen zu Hause umgebracht worden sein.«
    »Ach, die Arme …«
    Massimo, der den vollen Aschenbecher in den Abfalleimer leerte, konnte sich nicht mehr verkneifen, zu fragen: »Und was ist mit den Albanern?«
    Gino sah ihn von unten her an und deutete mit einer Kinnbewegung gen Decke (eine jahrtausendealte Geste, mit der man eine Ansicht untermauert, in gewisser Weise himmlischen Zuspruch anruft: Sie ist unerlässlich bei Diskussionen in der Bar, besonders wenn es um Kommentare geht, die möglicherweise nicht auf einhellige Zustimmung stoßen, etwa über die Leistung eines Mittelstürmers, die Vertrautheit der Damenwelt mit Oralsex und Ähnliches) und sagte: »Findest du, dass es zu wenige gibt? Ist es etwa in Ordnung, dass all diese Leute hierherkommen, ohne irgendwelche Papiere, sodass man nicht mal weiß, wer die sind? Und da soll ich glauben, dass das alles anständige Menschen sind? Gauner sind das! Sie handeln mit Drogen, stehlen und halten sich für wer weiß wen …«
    »Nein, das meinte ich nicht«, sagte Massimo hinterhältig. »Ich meinte, was sie hiermit zu tun haben. Erklär mir doch mal, wieso du jedes Mal, wenn etwas passiert, mit den Albanern daherkommst, zum Beispiel neulich, als der armen Frau am Lomi-Strandbad die Handtasche entrissen wurde?«
    Gino errötete und verlor einen Moment lang den Faden. Drei Wochen zuvor war vor dem Strandbad einer Frau die Handtasche gestohlen worden, und der alte Herr hatte sich drei geschlagene Tage lang über die albanische Gefahr ausgelassen, prophezeit, dass man noch sein blaues Wunder mit denen erleben werde, und gefordert, dass der Staat etwas unternehmen müsse. So ging es bis zum Abend des dritten Tages, als herauskam, dass der Dieb der Enkel seines Nachbarn war.

    Pilade nutzte die Gunst des Augenblicks, um sich in die Diskussion einzumischen. »Und woher weißt du das mit den Pantoffeln?«
    »Massimo hat es uns erzählt, bevor du gekommen bist. Er hat die Unglückliche gefunden«, sagte Gino, ziemlich kleinlaut geworden. »Er hat sie gefunden.«
    »Wie, jetzt, wo ich dir die Albaner madig gemacht hab, verdächtigst du stattdessen mich?«
    »Du hast sie gefunden?«
    »Nein, nicht wirklich, ein Typ hat sie hier um die Ecke in einem Müllcontainer entdeckt. Er hat versucht, die Polizei anzurufen, aber der Akku von seinem Handy war leer. Da morgens um Viertel nach fünf nur die Bar geöffnet hat, ist er zu mir gekommen, um die Polizei zu verständigen. Nur, dass er so hackedicht war, dass der Kerl in der Zentrale es für einen Scherz gehalten und aufgelegt hat. Also bin ich mit dem Jungen hingefahren, hab mir zeigen lassen, wo er die Leiche gefunden hat, und dann hab ich selbst die Polizei angerufen. Fünf Minuten später waren sie da, nach zehn Minuten hatten sie die Tote identifiziert, und da sie bereits den Dottore benachrichtigt hatten, haben sie alle ein Gesicht gemacht wie …«
    Massimo, der mit dem Lappen den Tisch abwischte, hielt einen Moment lang inne, dann tauchte er ihn in den Eimer und wrang ihn aus. Er musste sich nicht anstrengen, um sich die Szene, die er an diesem Morgen erlebt hatte, ins Gedächtnis zu rufen – er erinnerte sich an jedes Detail.
    Alles in allem war ihm Dr. Carli ziemlich sympathisch, und als er auf den Parkplatz gefahren kam, war Massimo gespannt zu sehen, wie er es aufnehmen würde, in dem Müllcontainer jemanden zu erblicken, den er kannte. Möglicherweise nur vom Sehen, aber er kannte sie. Und obendrein war sie noch die Tochter einer Person, mit der er sehr gut befreundet war.
    Tatsächlich hatte er das Mädchen sofort erkannt und war, gelassen und ruhig, wie man es von ihm gewohnt war, nur einen Augenblick still vor der Leiche stehen geblieben, ehe er nachdenklich den Kopf geschüttelt hatte.
    Einen besonders niedergeschmetterten Eindruck machte er auf Massimo nicht: Möglicherweise hatte er bereits etwas geahnt, als man ihn verständigt hatte. Erst nachdem er die Leiche untersucht hatte, war er ein wenig aus der Fassung geraten.

    »Wissen Sie, was das Problem ist?«
    Massimo sagte nichts, sondern sah den Dottore fragend an,
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