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Im Schatten der Pineta

Im Schatten der Pineta

Titel: Im Schatten der Pineta
Autoren: Marco Malvaldi
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Ampelios Stimme wie üblich den Lärm in der Bar. Geschickt lotste der Pensionär sie um die gewundenen intellektuellen Kehren seiner Rede, während er keine Gelegenheit ausließ, urbi et orbi seine Meinung über Gott und die Welt kundzutun.
    »Ich versteh ums Verrecken nicht, was die jungen Leute bloß daran finden! Da wird man in einen Raum mit ohrenbetäubender Musik gesperrt, zusammengequetscht wie die Ölsardinen; statt zu tanzen, muss man sich aufführen, als hätte man Juckpulver in der Unterhose, und am Ende kommt man vollkommen verblödet aus dem Schuppen wieder raus. Und für diese Behandlung lassen sie einen auch noch bezahlen! Sag du mir, ob es richtig ist, dass …«
    »Großvater, sprich erstens leiser, und zweitens hör auf, so einen Radau zu veranstalten. Danke. Im Übrigen, was kümmert es dich, wie sich die Leute vergnügen? Soll doch jeder machen, was er will, solange er keinem wehtut.«
    Ampelio stellte das Glas ab und brummte in seinen Bart: »Pah, solange man keinem wehtut! Sich selbst tut man weh, sich selbst. Herrgott, wer unbedingt will, dass ihm der Schädel dröhnt, dem kann ich gern eins mit dem Stock überbraten, und zwar gratis …«
    Aldo stand auf, um den Klappaschenbecher aus seiner Manteltasche zu holen. Das Boccaccio hatte Ruhetag, und wie immer war er – ein sorgenfreier Witwer, der gern in Gesellschaft war – abends in die Bar gegangen, wo er sich sicher sein konnte, ebendiese zu finden.
    »Das Problem ist«, sagte er, während er vorsichtig in der Tasche nach dem Aschenbecher tastete, um den Mantel nicht vom Haken zu reißen, »dass sich heutzutage viele junge Leute nur noch amüsieren, wenn das, was sie machen, richtig teuer ist. Aber im Grunde war das schon immer so. Eine Art von vielen, den großen Macker zu spielen und den anderen zu zeigen, dass man die Taschen voller Geld hat. Nur, dass sich die Vorlieben ändern. Heutzutage ist es angesagt, so zu tun, als würde man sich mit Wein auskennen, zu meinem Glück, muss ich sagen. Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie viele junge Typen nach dem Abendessen ins Restaurant kommen, die Weinkarte studieren, und dann ihre Bestellung aufgeben: ›Mir ist heute Abend nach einem Soundso …‹, und dann verwechseln sie womöglich noch den Namen des Weinguts mit dem des Weins, oder wollen einen ’87er Chianti, wo doch jeder, der sich auch nur ein bisschen auskennt, wissen müsste, dass ein ’87er Chianti bestenfalls als Treibstoff taugt, und als ob das noch nicht genügen würde, essen sie auch noch Käse mit Honig. Ziemlich schwierig, dabei ernst zu bleiben und sich nichts anmerken zu lassen.«
    »Dabei wäre es besser, du würdest ihnen auf den Kopf zusagen, dass sie keinen Funken Ahnung haben«, unterbrach ihn Pilade mit gewohntem Feingefühl. »Und ihnen zeigen, wie der Hase läuft, damit sie mit der Zeit was dazulernen.«
    »Ach ja, und dann? Dann haben sie was dazugelernt, aber den Wein trinken sie nächstes Mal woanders«, erwiderte Aldo. »Denen geht’s nicht um gutes Essen und Trinken, die wollen nur angeben und die Schlaumeier spielen. Sollen sie doch machen, was sie wollen. Ich verkaufe Wein und Essen, keine Vorträge.«
    Dem wurde nicht widersprochen: Aldo hatte vollkommen recht, wenn er sagte, er verkaufe Wein und Essen ohne Firlefanz. Das Boccaccio hatte einen schier unerschöpflichen Weinkeller, mit besonderem Schwerpunkt auf den Weinen des Piemont und eine exzellente Küche. Punkt, Schluss. Der Service war akkurat, aber wenig förmlich, passend zu der nicht gerade erlesenen Einrichtung; sollte ein Gast etwas am Essen auszusetzen haben – was selten vorkam –, wurde das unverzüglich dem Chef de Cuisine, Otello Brondi, genannt Tavolone, zugetragen. Mit einem unbestrittenen Talent in der Kochkunst gesegnet, war dieser ansonsten nicht gerade von der Muse geküsst. Wenn er an den Tisch trat, sah sich der kritische Gast einem Bären von einem Mann mit etwa einem Kubikmeter Bauch gegenüber, flankiert von zwei mächtigen behaarten Unterarmen, der in alles andere als unterwürfigem Ton sagte: »Was soll das heißen, es schmeckt Ihnen nicht?«
    Aldo zündete sich eine Zigarette an und fuhr fort: »Ich für meinen Teil hasse Lokale, wo sie einen wie einen Idioten behandeln, wenn man einen Wein bestellt, der nicht perfekt zum Essen passt, oder es sonst wie wagt, gegen die heiligen Gesetze der gehobenen Küche zu verstoßen. Lokale, in denen sie einem sagen: ›Aber nein, Sie wollen sich doch den köstlichen vom Knochen
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