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Im Schatten der Pineta

Im Schatten der Pineta

Titel: Im Schatten der Pineta
Autoren: Marco Malvaldi
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wenn die größeren Kinder ihn zum Spielen aufgefordert hatten: von sich aus, ohne dass ihre Mama sie dazu angehalten hätte. Das war, wie zu einem Ritual zugelassen zu werden: Egal, was für einen Quatsch man auch anrichtet, man amüsiert sich königlich und denkt später noch oft an diesen Tag zurück. Den Bruchteil einer Sekunde lang fragte er sich, ob ihm die Tatsache, dass er sich darauf freute, mit vier alten Männern Karten zu spielen, nicht vielleicht etwas absonderlich vorkommen müsste, doch er verscheuchte den Gedanken sogleich wieder.
    Man wird ja wohl noch selbst entscheiden können, was einem Spaß macht, dachte er trotzig und konzentrierte sich auf den Hohepriester, der gerade dabei war, für ihn das Tor zum Tempel aufzuschließen.
    »Also«, sagte Pilade, der als Zeremonienmeister fungierte, »es geht so: Zuerst werden die Karten ausgegeben, alle auf einmal, das heißt jeder bekommt acht. Dann kommt das sogenannte Reizen. Dabei erklärt jeder der Reihe nach, wie viele Punkte er bei dem Blatt, das er auf der Hand hat, voraussichtlich machen wird. Das Reizen beginnt bei sechzig, und der erste Spieler – der rechts vom Geber fängt an – sagt zum Beispiel: ›Ich biete einundsechzig‹, der zweite sagt: ›Ich biete dreiundsechzig‹ und so weiter und so fort, bis einer eine so hohe Punktzahl nennt, dass die anderen passen. Der höchste Bieter hat das Recht, die Briscola, die Trumpfkarte, zu bestimmen: Nehmen wir mal an, du hast das Reizen gewonnen und hast Münz-Ass und die Münz-Drei auf der Hand … Kannst du mir folgen?«
    »Ja, ja, kann ich.«
    »Also dann bestimmst du als Trumpffarbe die Münzen. Du sagst: ›Münz-König ist Trumpf.‹ Damit legst du zweierlei fest, erstens die Trumpffarbe. Zweitens deinen Mitspieler, nämlich denjenigen, der Münz-König auf der Hand hat. Die anderen drei spielen gegen euch. Um zu gewinnen, musst du, oder besser gesagt, müsst ihr beide die Punkte machen, die du zu Beginn angegeben hast. Indem du die Briscola bestimmst, stehen die Chancen zwar nicht schlecht, aber du musst dich dennoch mächtig ins Zeug legen, denn die anderen werden alles daransetzen, dass du verlierst. Außerdem spielt ihr zu zweit gegen drei.«
    »Gut, nachdem die Teams bestimmt sind, wie geht das Spiel dann weiter?«
    »Der Spieler rechts neben dem Geber fängt an, und dann immer der Reihe nach. Das Schöne am Fünfer-Briscola ist, dass du nicht weißt, wer mit dir spielt. Sobald du die Trumpfkarte genannt hast, beginnen die anderen vier, sich schiefe Blicke zuzuwerfen, sich gegenseitig zu verdächtigen, der Verräter zu sein, so zu tun, als hätten sie nicht auch einen Trumpf auf der Hand. Einer von ihnen lügt. Doch ehe die genannte Trumpfkarte nicht auf dem Tisch liegt, weiß keiner, wer mit wem spielt, weder man selbst noch die Gegner. Nur derjenige, der den Münz-König hat, weiß Bescheid und wird natürlich den Teufel tun, sich zu erkennen zu geben. Möglicherweise wird er sogar auf einen Stich verzichten, um erst so spät wie möglich entdeckt zu werden. Hast du alles verstanden?«
    »Gib aus und lass uns ein Probespiel machen.«

    Es wurde eine lange Nacht, und Massimo kam erst um vier Uhr früh heim, nachdem er zuvor Großvater Ampelio zu Hause abgeliefert und aufs Sofa verfrachtet hatte, denn Großmutter Tilde war wie immer um elf ins Bett gegangen und hatte die Schlafzimmertür abgeschlossen – wer zu spät kommt … Seither spielte Massimo hin und wieder, sofern die Kundschaft und die Anwesenden es zuließen, eine Partie Fünfer-Briscola und hatte einen Heidenspaß dabei.

Zwei
    Anderthalb Stunden später war die Partie zu Ende: Pilade hatte gewonnen, Massimo und Aldo hatten sich wacker geschlagen, und Ampelio und Rimediotti waren hoffnungslos untergegangen. Während Massimo die Gläser abräumte – er hatte sich wohl oder übel wieder in den Barista zurückverwandelt –, rückten die Jünglinge ächzend ihre Stühle zur Promenade hin aus. Nachdem der Teufelskreis in das Halbrund eines Amphitheaters verwandelt worden war, konnten sie sich endlich der Beschäftigung widmen, die hier in Pineta der wahre Nationalsport ist.
    Die Nase in die Angelegenheiten anderer stecken.

    »Also, habt ihr das mitbekommen? Jetzt haben wir sogar einen Mord hier.«
    »Also, so was. Das arme Ding, in der eigenen Wohnung umgebracht, stellt euch das mal vor! Nicht genug, dass man nicht mal mehr in Ruhe auf die Straße gehen kann, bei all den Albanern, die hier herumlaufen, nein, jetzt murksen sie
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