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Im Schatten der Pineta

Im Schatten der Pineta

Titel: Im Schatten der Pineta
Autoren: Marco Malvaldi
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gelösten Kaninchenrücken nicht verderben, indem Sie einen Flan aus weißen Bohnen und Cashewnüssen als Beilage wählen? Wenn ich Ihnen einen Rat geben darf …‹ Und das ist noch die harmlose Variante. In manchen Restaurants wird man sofort in eine Schublade gesteckt: Entweder man ist ein Kenner, dann rollt der Wirt den roten Teppich aus und bereitet einem einen Empfang, wie er nicht einmal Wanda Osiris zuteil geworden wäre, oder man ist ein ahnungsloser Fresssack, der vom Wein nicht das Geringste versteht, in welchem Fall sie einem ziemlich unverhohlen zu verstehen geben, dass man besser zu Hause geblieben wäre, statt herzukommen und den Betrieb zu stören, wo es doch Leute gibt, die auf einen Tisch warten und die Mühe zu schätzen wissen. Deine Scheinchen sind zwar gern gesehen, aber du nicht.«

    Nach dieser Ansprache breitete sich Schweigen aus.
    Der Mittwoch war ohnehin ein eher ruhiger Tag, außerdem ging draußen ein schneidender Wind, der hin und wieder die Deckel der Aschetonnen hochhob, Äste über Fensterscheiben schaben ließ und durch den Spalt unter der doppelten Glastür heulte. Allein dieses Geräusch ließ einen die Kälte erahnen, die draußen herrschen musste.
    Massimo hielt es nicht mehr aus, hinter dem Tresen zu stehen und den Barmann zu spielen. Er trat durch die Schwingtür am Ende des Tresens und unternahm einen zaghaften Vorstoß, die Alten loszuwerden – sosehr er sie auch mochte, nach einer Weile gingen sie ihm gewaltig auf die Nerven –, in der Hoffnung, früher als sonst Feierabend machen zu können.
    »Wollt ihr nicht lieber tanzen gehen, statt Karten zu spielen? Habt ihr nicht schon am Abend eine Partie gespielt?«, fragte er listig, indem er durchblicken ließ, dass der Abend schon eine Weile zurücklag, um ihnen durch die Blume zu verstehen zu geben, dass er gern schließen würde.
    »Stimmt, doch wir haben ja immer noch Zeit«, erwiderte Ampelio.
    »Aber wir sind zu fünft«, sagte Massimo und verfluchte sich innerlich. »Während ich wegen euch die Bar bis Mitternacht geöffnet habe, nur um euch beim Kartenspielen zuzusehen, werdet ihr immer vergesslicher, und Kartenspiele für fünf Spieler müssen meines Wissens nach erst noch erfunden werden.«
    »Mag ja sein, dass du studiert hast, Massimo, aber was hat es dir gebracht? Gar nichts. Hast du wirklich noch nie Briscola zu fünft gespielt?«
    »Nein …«
    »Du kennst Briscola mit fünf Spielern nicht? Oh, Ampelio, was hast du deinen Enkel eigentlich gelehrt, als er noch klein war?«
    »Meine Großmutter dreimal hintereinander um Schokolade anzubetteln und ihm dann die Hälfte davon abzugeben, weil sie sie ihm wegen seines Zuckers rationiert hat.«
    »Ach so? Dein Großvater ist halt ein Dummkopf. Hör mal, willst du es nicht mal probieren? Ich garantier dir, du wirst dich amüsieren. Ich hab noch keinen getroffen, dem Briscola zu fünft nicht Spaß gemacht hätte.«
    Massimo überlegte kurz. Draußen war es affenkalt, und der Gedanke, in die eisige Nacht hinauszugehen, war in der Tat nicht besonders verlockend.
    Dann lerne ich wenigstens mal richtig Bluffen, dachte er; im Grunde war die Aussicht, den Gang in die Kälte noch ein bisschen aufzuschieben, gar nicht so übel.
    Er trottete hinter den Tresen, um seine Zigaretten einzustecken, während der Wind durch die Rollläden pfiff und heftige Böen an den Straßenlaternen rissen, deren Licht verzerrte Schatten auf die Straße warf und die Welt da draußen gespenstisch aussehen ließ. Er machte sich einen Espresso, ohne die anderen zu fragen, ob sie auch einen wollten, ging damit zum Tisch, setzte sich auf einen Stuhl und streckte die Beine aus. Dann stützte er die Ellbogen auf die Armlehnen, zündete sich eine Zigarette an und sagte: »Bitte.«
    Die vier nahmen ohne die üblichen Schmähungen und Beschimpfungen ihre Plätze ein und legten ein ganz neuartiges Verhalten an den Tag: eine Mischung aus Zufriedenheit und Konzentration, als wären sie im Besitz eines großartigen Geheimnisses und hätten endlich jemanden gefunden, der es zu würdigen wusste.
    Hosen wurden hochgezogen, Ärmel hochgekrempelt und mit sakraler Inbrunst und großer Genugtuung Zigarettenpackungen auf dem Tisch zurechtgerückt. Kurzum: das typische Verhalten von Menschen, die Vorfreude empfinden.
    Auch Massimos Laune besserte sich zusehends; während er beobachtete, wie sie es sich am Tisch bequem machten, überkam ihn ein merkwürdiges Gefühl, wie er es manchmal als kleiner Junge empfunden hatte,
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