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Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod: Folge 5

Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod: Folge 5

Titel: Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod: Folge 5
Autoren: Bastian Sick
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Vorwort
    Vier Fälle hat unsere Sprache. Der Dativ ist der dritte. Und dieses Buch ist dem Dativ sein fünfter Fall. Erneut macht er sich auf, den Genitiv zu töten. Ob’s ihm diesmal wohl gelingt? Das wird an dieser Stelle natürlich nicht verraten.
    Dieses Buch ist nicht nur das fünfte in einer bunten Reihe, sondern außerdem ein Jubiläumsbuch. 2013 jährt sich das Erscheinen der ersten »Zwiebelfisch«-Kolumne zum zehnten Mal. Für einen Fisch ist das ein beachtliches Alter! Seitdem entstanden mehr als 200 Texte über das zauberreiche und märchenschöne Wesen, das als »die deutsche Sprache« bekannt ist. Die 52 jüngsten sind in diesem Buch versammelt.
    Dass es immer wieder Stoff für neue Kolumnen gibt, liegt daran, dass unsere Sprache nicht aufhört, sich zu verändern. Ständig kommen neue Moden und Wörter hinzu, obwohl wir noch nicht einmal alle alten ausreichend gewürdigt haben. Dass ich mit meiner Arbeit nicht aufhören kann, liegt daran, dass meine Leser nicht aufhören, mir zu schreiben und mir Fragen zu stellen: Was bedeutet dieses Wort? Woher kommt jene Redewendung? Wie lautet hiervon die weibliche Form und davon die Mehrzahl? Der Beantwortung von Leserfragen wird daher auch in diesem Buch wieder gebührender Platz eingeräumt.
    Als Buchautor werde ich aber nicht immer nur zu den Tücken und Zweifelsfällen der deutschen Sprache befragt, sondern manchmal auch, wie ich überhaupt zum Schreiben gekommen sei, ob die Sprache schon immer meine Leidenschaft gewesen sei und ob es besondere Vorbilder gegeben habe. Auch solche Fragen beantworte ich gern, zumal die Antworten ganz einfach sind: Sprache wurde zu einer Leidenschaft, als ich erkannte, dass sie mir Türen zu wunderbaren Welten voller Abenteuer, Zauberei und Weisheit öffnete und mir die Möglichkeit gab, meine Fantasie in Formen zu gießen. Mit dem Schreiben von Geschichten begann ich also schon recht früh, noch vor dem Wechsel von der Grundschule aufs Gymnasium. Vorbilder gab es viele: Lehrer, Schauspieler, Musiker, Dichter und Kinderbuchautoren. Von einer besonderen Begegnung mit einem Dichter möchte ich im Folgenden berichten.
    Als ich ein Schüler war, verbrachte ich die Sommerferien regelmäßig mit meinen Eltern und meinen beiden Schwestern am Lago Maggiore. In einem Sommer hatte ich zwei Kinderbücher von Wolfdietrich Schnurre dabei, die ich mir zum Geburtstag gewünscht hatte: »Die Zwengel« und »Der Meerschweinchendieb«. Ich war gerade acht geworden und befand mich auf einer unaufhaltsamen Entdeckungsreise durch die Kinderliteratur. Meine Großmutter hatte mich auf Schnurre aufmerksam gemacht, denn sie kannte seine Erzählungen für Erwachsene. Dass er auch über Meerschweinchen schrieb, machte ihn mir sofort sympathisch, zumal ich für diese putzigen Geschöpfe eine Schwäche hatte. Von Freunden erfuhren wir, dass der Autor jener Bücher rein zufällig selbst ein Ferienhäuschen am Lago Maggiore hatte, gar nicht weit von unserem Strand, auf dem Monte Sole. Meine Mutter ermutigte mich, hinaufzugehen und mir die Bücher signieren zu lassen.
    Als ich die steile Straße zum Haus von Wolfdietrich Schnurre erklomm, pochte mein Herz vor Aufregung und Angst: Was, wenn ich nun ungelegen kam? Wenn er gar keine Kinder mochte? Wenn er einen großen bissigen Hund hatte? Auf halber Strecke dachte ich daran, umzukehren, aber was hätten meine Eltern dann von mir gedacht? Also nahm ich all meinen Mut zusammen und klingelte an der Tür des Schriftstellers. Ein großer freundlicher Mann mit einem breiten Schnurrbart öffnete, sah zu mir herab und rief überrascht: »Na, wer bist du denn?« Ich brachte kein Wort heraus und streckte ihm nur die beiden Bücher entgegen. Er bat mich hinein, bot mir Saft und Kekse an, stellte mich seiner Frau Marina vor (die die Meerschweinchen-Geschichten illustriert hatte) und schrieb mir wundervolle Widmungen in beide Bücher: »Damit Bastian in einem Jahr wiederkommt«.

    Das habe ich dann auch gemacht. Und beim zweiten Mal hatte ich auch keine Angst mehr. Im Gegenteil, ich konnte es kaum erwarten, Wolfdietrich Schnurre davon zu erzählen, dass ich inzwischen selbst angefangen hatte, Geschichten zu schreiben. Er fragte, ob er sie sehen dürfe, und ich gab sie ihm. Er nahm sie so behutsam in die Hand, als wären sie ein Schatz. Dann verriet er mir, dass er es sehr bedauere, seine eigenen frühen Versuche irgendwann allesamt verbrannt zu haben. Ich gelobte ihm, das mit den meinen nicht zu tun. Und so habe ich bis
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