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Im Schatten der Pineta

Im Schatten der Pineta

Titel: Im Schatten der Pineta
Autoren: Marco Malvaldi
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und erst dann kann man eine präzise Aussage über den Zeitpunkt des Todes machen. Aber es hängt davon ab, wie lange das alles her ist. Je kürzer der Exitus zurückliegt, desto präziser kann man ihn bestimmen. Wie auch immer …« Der Arzt blickte Massimo an. »Ich denke, dass das Mädchen gegen Mitternacht gestorben ist, eine Stunde hin oder her. Aber mit Sicherheit kann ich das erst hinterher sagen … also … später.«
    Fusco kam wieder zurück. Mit einem Handzeichen winkte er Dr. Carli zu sich, und während er auf ihn wartete, sagte er mit lauter Stimme zu Massimo und dem Jungen: »Ihr beide haltet euch zur Verfügung, ich muss euch noch offiziell verhören. Heute Nachmittag lass ich euch anrufen.«

    »Dann musst du also zu Fusco und dich von ihm befragen lassen?«
    In der Bar waren jetzt keine anderen Gäste mehr.
    Alle waren an den Strand gegangen, und vor sechs Uhr abends würde sich niemand mehr blicken lassen; dann kehrten die Strandbesucher in kleinen Grüppchen zurück, um auf dem Heimweg noch eine Schiacciatina zu essen und ein Bierchen zu trinken. Ab sieben begann dann das Leben erneut und dauerte so lange, wie es dem da oben gefiel. Massimo stellte sich vor, wie es später in der Bar zugehen würde, rief sich die Gesichter vor sein geistiges Auge, die er begrüßen würde. Muskelpakete in Begleitung von Mädchen, die über jedes vernünftige Maß hinaus gebräunt waren, Livorneser mit ärmelloser Weste auf nackter Haut und um den Hals eine protzige Goldkette, außergewöhnlich schöne Frauen, so geschniegelt und gestriegelt, dass es sich nur um Edelnutten handeln konnte, bevölkerten den ganzen Abend lang die Bar, alle verschieden und doch austauschbar, dachte er. Um sich sogleich dafür zu schämen – warum, wusste er selbst nicht –, dass ihm beim Gedanken an diese interessanten Leute ausgerechnet eine Zeile von Luis Miguel in den Sinn gekommen war.
    Tatsächlich erweckten manche Gesichter, manchmal auch nur eine Körperhaltung, sein Interesse so sehr, dass er am liebsten zu der jeweiligen Person hinginge, um ein Gespräch anzufangen und zu versuchen, den Menschen dahinter zu ergründen. Manchmal hatte er das auch schon getan und festgestellt, dass er sich die Mühe hätte sparen können.
    »Planet Erde an Massimo: bitte um Antwort!«
    Massimo fuhr erschrocken zusammen.
    Aldo ließ die Hände sinken, die er zum Megafon geformt hatte, und nickte ihm zu.
    »Was ist?«
    »Musst du jetzt zu Fusco?«
    »Ja, in einer halben Stunde, warum?«
    »Wäre es nicht besser, wenn er herkommen würde?«
    Ampelio stärkte seinem Kumpel den Rücken: »Aber sicher. Schließlich bist du nicht zum Spaß hier, sondern zum Arbeiten, da könnte er dir die Fragen auch hier stellen, damit du nicht alles stehen und liegen lassen musst. Findest du nicht auch?«
    Massimo schüttelte lächelnd den Kopf. »Großvater, er muss mich in der Kaserne vernehmen, wo jemand meine Aussagen zu Protokoll nimmt. Stell dir außerdem mal vor, was hier los wäre, wenn er mich hier befragen würde. Innerhalb von zehn Minuten wüsste der ganze Ort, was der Commissario weiß. Ach, noch viel mehr. Und jetzt macht mir nicht solche Märtyrergesichter, nur weil ihr nicht dabei sein könnt.«
    »Mmmhh …«
    Pilade ließ sich bequem gegen die Stuhllehne zurücksinken, die typische Haltung von jemandem, der gleich eine Neuigkeit preisgeben wird. Er fischte eine Zigarettenpackung der Marke Stop aus der Tasche (wie kann man nur solches Zeug rauchen?, fragte sich Massimo jedes Mal, wenn er die Packung sah) und steckte sich eine an, während er gleichzeitig zu sprechen begann, sodass die Zigarette rhythmisch zwischen seinen Lippen auf und ab wippte.
    »Weißt du was? Das Tolle an der Geschichte ist, lieber Massimo, dass das Dorf jetzt schon mehr weiß als der Commissario. Erstens, weil Fusco ein Trottel ist« – die Anwesenden nickten einmütig –, »und zweitens, weil dann, wenn im Ort jemandem aus dem Ort was passiert, es garantiert jemanden gibt, der ein bisschen was von dem weiß, was passiert ist. Jemand, der was gesehen hat, sich aber keinen Reim drauf machen kann. Hab ich nicht recht, Massimo, der Fusco sollte besser in die Bar kommen und mit allen reden, die hier ein und aus gehen, dann den Klatschweibern zu Hause einen Besuch abstatten, auf den Markt gehen und so weiter. Freiwillig meldet sich niemand bei dem. Aber als ich um zehn nach zwei von zu Hause weggegangen bin, hat meine Frau schon eine geschlagene Stunde und zwanzig Minuten am
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