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Im Schatten der Gerechtigkeit

Im Schatten der Gerechtigkeit

Titel: Im Schatten der Gerechtigkeit
Autoren: Anne Perry
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war, als hätte sich ihrer beider Leben Schritt für Schritt entsprochen.
    »Aber ich weiß nicht, wer ihm die Weiber schickt«, sagte Dora zornig. »Vielleicht treibst du ja ein paar auf, und die sagen’s dir, aber drauf zählen würd’ ich nicht! Die werden schön den Mund halten!« Schon hatte sie wieder der Zorn gepackt.
    »Wenn du die vor Gericht ziehst, dann lügen die, daß sich die Balken biegen, bevor die so was zugeben würden! Die Armen vielleicht nicht, aber die Reichen! Die Armen haben bloß Angst vor mehr Kindern, die sie nicht durchfüttern können. Die Reichen, die haben Angst vor der Schande!«
    Hester machte sich nicht die Mühe, ihr zu sagen, daß reiche Frauen von zu vielen Schwangerschaften körperlich nicht weniger verbraucht sein konnten als arme.
    »Überlegen Sie. Vielleicht fällt Ihnen doch noch was ein«, forderte sie sie auf. »Ich sehe noch mal Prudence’ Notizen durch, für den Fall, daß ich was übersehen habe.«
    »Du wirst nicht weit kommen.« Die Hoffnungslosigkeit hatte sich wieder eingestellt; sie war ihr anzuhören und anzusehen.
    »Der kommt damit durch – aber ich bring’ ihn um, genau so wie er sie umgebracht hat. Vielleicht hängen sie mich auf dafür, aber das macht nix, solang ich sicher sein kann, daß er auch in der Hölle schmort!« Und damit schob sie sich an Hester vorbei. Mit einemmal liefen ihr die Tränen über das häßliche Gesicht.
    Monk war gehobener Stimmung, als Hester ihm die Nachricht überbrachte. Es war die Lösung. Er wußte genau, was zu tun war. Ohne zu zögern, ging er zu Berenice Ross Gilbert und befahl dem Diener, ihn einzulassen. Trotz der späten Stunde, es ging bereits auf Mitternacht zu, ließ er sich nicht abwimmeln. Es handle sich um einen Notfall. Es sei ihm völlig egal, ob sich Lady Ross Gilbert bereits zur Nachtruhe begeben habe oder nicht. Man mußte sie wecken. Vielleicht war es etwas in seiner Haltung, der ihm eigenen Rücksichtslosigkeit, nach einem kurzen Zaudern jedenfalls gehorchte der Diener.
    Monk wartete im Damenzimmer, einem eleganten, teuren Raum mit französischen Möbeln, vergoldetem Holz und Brokatvorhängen. Wieviel davon war wohl vom Geld verzweifelter Frauen bezahlt? Er hatte noch nicht einmal Zeit, sich richtig umzusehen.
    Lady Ross Gilbert erschien lächelnd, in einem prachtvollen aquamarinblauen Hausmantel; sie sah aus wie eine mittelalterliche Königin. Ihr fehlte nur noch ein Diadem auf dem langen, glänzenden Haar.
    »Wie außergewöhnlich, Mr. Monk«, sagte sie mit vollendeter Haltung. Außer ihrer Neugier war ihr nichts anzusehen. »Was um alles in der Welt mag passiert sein, das Sie um diese nachtschlafene Zeit zu mir bringt? So sprechen Sie doch!« Sie betrachtete ihn mit unverhohlenem Interesse, musterte ihn von Kopf bis Fuß, bis ihr Blick schließlich auf seinem Gesicht landete.
    »Der Prozeß ist vermutlich morgen zu Ende«, antwortete er, seine Stimme hart und klar, seine Aussprache übertrieben perfekt. »Sir Herbert wird freigesprochen.«
    Sie zog die Brauen noch höher. »Sagen Sie nicht, Sie machen mir mitten in der Nacht Ihre Aufwartung, um mir das mitzuteilen? Ich habe nichts anderes erwartet. Aber wie auch immer, ich kann es erwarten.« Noch immer musterte sie ihn mit belustigter Neugier. Sie glaubte nicht, daß er aus einem so absurden Grund hier sein sollte. Sie wartete auf den tatsächlichen Anlaß seines Besuchs.
    »Er ist schuldig«, sagte er grob.
    »Tatsächlich?« Sie war eine bemerkenswert schöne Frau. Der ganze Raum war erfüllt von ihrer Anwesenheit, und er spürte, daß sie das wußte. »Das ist nur Ihre eigene Meinung, Mr. Monk. Hätten Sie einen Beweis dafür, dann hätten Sie Mr. Lovat-Smith und nicht mich…« Sie zögerte. »Was immer Sie hier tun, Sie haben sich bisher nicht erklärt…«
    »Ich habe keinen Beweis«, entgegnete er. »Aber Sie.«
    »Tatsächlich?« Ihre Stimme hob sich in schierem Erstaunen.
    »Mein lieber Herr, Sie reden kompletten Unsinn! Ich habe nichts dergleichen.«
    »Und ob Sie haben.« Er starrte sie unentwegt an, begegnete ihrem Blick und hielt ihm stand. Als sie erkannte, daß er unerschütterlich war, erstarb der belustigte Ausdruck.
    »Sie irren sich«, sagte sie leise. »Ich habe nichts.« Sie wandte sich ab und begann müßig mit einem Stück Nippes auf dem Marmortisch zu hantieren. »Der Gedanke, sie hätte ihn heiraten wollen, ist völlig absurd. Mr. Rathbone hat das bewiesen.«
    »Selbstverständlich ist er das«, pflichtete er ihr bei und sah
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