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Im Ruecken steckt das Messer - Geschichten aus der Gerichtsmedizin

Titel: Im Ruecken steckt das Messer - Geschichten aus der Gerichtsmedizin
Autoren: Hans Bankl
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sei nicht nötig. Doch wenn die Angehörigen auf Nummer Sicher gehen wollen, braucht nur jemand zum Telefon zu greifen und eine Obduktion durch einen Privat-Pathologen bestellen. Dr. Vidal Herrera, Gerichtsmediziner aus Los Angeles, hat sich mit einem privaten Autopsieunternehmen selbstständig gemacht. Sein Angebot lautet:
    • Private Autopsies
    • Forensic Autopsies
    • Medical Photography
    • Civil and Criminal Consultant
    Gerichte, Anwälte und Seniorenheime rufen - Herrera kommt und öffnet die Leichen. Im Grunde zielt sein postmortales Geschäft aber auf private Kundschaft. Wer den Tod eines Angehörigen dem Arzt oder Krankenhaus anlasten will und dafür Schadenersatz einklagen möchte, ruft Herrera. Kostenpunkt: 2500 Dollar. Das Unternehmen floriert, mit einigen Mitarbeitern werden pro Jahr 800-1000 Leichen untersucht.
    Ein Obduktionsunternehmen aus Florida, Dr. Brian McCarthy, brachte die Anliegen seiner Kunden mit einem markanten Werbespruch auf den Punkt: »McPath. Seelenfrieden, Antworten
auf Ihre Fragen.« McCarthy hofft, seine Firma zu einer Art »McDonald’s der Pathologie« auszuweiten, mit Autopsiezweigstellen im ganzen Land.

Frauen drängen zum Sektionstisch
    Mindestens die Hälfte der Medizinstudenten sind Frauen. Dies macht sich in Pathologie und Gerichtsmedizin immer deutlicher bemerkbar. Kaum ein Institut, wo nicht Frauen am Sektionstisch stehen. Sie brauchen dabei gar nicht »ihren Mann zu stellen«, denn sie sind meistens deshalb gut, weil sie den Beruf aus Interesse ausüben.
    Dr. Joye Maureen Carter (geb. 1957) ist seit 1996 leitende Gerichtspathologin der Millionenstadt Houston. Erstaunlich für den Süden der USA war lediglich, dass Joye Carter eine Schwarze ist. Sie hat ihre Ausbildung bei der Air Force gemacht und wurde Ausbildungsleiterin für Militärpathologie. Jetzt leitet sie ein Institut mit 70 Mitarbeitern und greift jeden Freitag selbst zum Skalpell, weil sie ihr Handwerk nicht verlernen will. Die Dame sitzt zwar in der Chefetage, steht jedoch auch im Erdgeschoss im Seziersaal.
    Dr. Mary Manheim (geb. 1945) leitet seit 15 Jahren die gerichtsmedizinische Anthropologie der Louisiana State University in Baton Rouge. Ihr Spezialgebiet ist die Identifikation von Skelettresten. Aus den Knochen liest sie Alter, Größe, Geschlecht und Rasse der Opfer, oft genügt die Ermittlung von Ursache und Zeitpunkt des Todes. Sie erstellt Phantombilder vermisster Personen anhand von früheren Fotos und modelliert Gesichter über Skelettschädel. Solche Fahndungshilfen werden in den USA dann auf Plakaten oder Milchkartons veröffentlicht. Von 600 Fällen konnte Dr. Manheim 570 lösen und die Identität der Toten bestimmen.

Ein frisches und ein altes Herz

Mein erstes Mädchen hieß Ramona
    Wie man bei manchen Ereignissen das »erste Mal« ein Leben lang in Erinnerung behält, so ergeht es einem auch bei pathologischen. Die erste Obduktion, das erste Mal, dass man sich selbst in den Finger geschnitten hat - und so fort. Und genauso ist mir die 16-jährige Ramona in Erinnerung. Ich war damals noch Student und Famulant, wobei es in jenem Krankenhaus üblich war, die Leichenöffnungen den Studenten zu überlassen. War man interessiert und traute sich die Sache zu, so konnte man praktisch alles allein machen. Diese Zeiten sind längst vorbei. Es geschah um die Pfingstfeiertage herum, ein Volksfest fand statt und ein Zirkus gastierte in der Stadt. In der Nähe des Rummelplatzes befand sich ein Fluss mit schräg abfallender Böschung. Als in den Vormittagsstunden die ersten Besucher wieder in Richtung Bierzelt zum Frühschoppen marschierten, fanden sie auf einem Wiesenstreifen am Flussufer ein junges Mädchen und ein Gewehr. Das Mädchen war bekleidet, geschminkt, frisiert und tot: Neben den Füßen lag eine zierlich gearbeitete einschüssige Büchse vom Kaliber.22 l.r., also ein Kleinkalibergewehr. Die Ermittlungen verliefen kurz und einfach. An der vorderen Brustwand, etwas links der Mitte, gab es einen Einschuss, der Abzug wurde mit der rechten Großzehe betätigt, dort fehlte der Schuh. Als ich einige Stunden später die Obduktion durchführte, wussten wir bereits alles. Das Mädchen war das jüngste Mitglied einer Kunstschützentruppe aus dem Zirkus, daher ihre Geschicklichkeit, als sie sich selbst erschoss.
Ihr Künstlername war Ramona, in einem Abschiedsbrief nannte sie unglückliche Liebe als Motiv. Mir blieb in Erinnerung, dass sie noch im Tod von einer faszinierenden exotischen Schönheit
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