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Im Ruecken steckt das Messer - Geschichten aus der Gerichtsmedizin

Titel: Im Ruecken steckt das Messer - Geschichten aus der Gerichtsmedizin
Autoren: Hans Bankl
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Sheppard. Der DNA-Test ergab, dass dieses Blut nicht vom Arzt stammte, sondern von einem Fensterputzer, der bei den Sheppards beschäftigt gewesen war. Dieser gab zu, im Schlafzimmer gewesen zu sein, er habe sich jedoch bei seiner Arbeit geschnitten.
    Der Antrag auf Wiederaufnahme des alten Falles wurde abgelehnt, die Polizei erklärte, es gäbe keine neuen Beweisstücke.

»Titanic«, »Kursk« und Konzentrationslager
     
     
     
     
    In der Nacht vom 14. zum 15. April 1912 rammte der Luxusdampfer Titanic, das größte Schiff seiner Zeit, im Nordatlantik einen Eisberg und versank in weniger als drei Stunden. An Bord waren 2206 Menschen, 1503 kamen zu Tode. Ein Großteil der Todesopfer trieb mit angelegten Schwimmwesten im eiskalten Wasser. Sie konnten daher nicht untergehen und wurden von Bergungsschiffen eingesammelt. Diese Opfer der Titanic-Katastrophe sind nicht ertrunken, sie starben an Unterkühlung. Die Wassertemperatur betrug 4° C, es erfolgte eine rasche Auskühlung der im Wasser treibenden Menschen von außen nach innen. Je nach Konstitution und Körperbau, d. h. ob beispielsweise fettleibig oder mager, dauert es ein bis vier Stunden bis die Kerntemperatur so weit abfällt, dass der Tod eintritt.
     
    Vier Stadien werden dabei durchlaufen:
    1. 33° C: Das Bewusstsein ist voll erhalten, die Stoffwechselvorgänge werden auf Wärmeproduktion umgeschaltet, das vegetative Nervensystem schlägt Alarm.
    2. 30° C: Es beginnt eine Bewusstseinstrübung und Schläfrigkeit; keine Schmerzen, eher wohlige (!) Apathie.
    3. 27° C: Bewusstlosigkeit tritt ein, der Herzschlag sinkt auf eine Frequenz von etwa 30 pro Minute. Man spricht von Kältenarkose.
    4. Unter 27° C: Herzstillstand, Atemlähmung.
    Über diesen stadienhaften Ablauf sind wir durch die verbrecherischen Menschenexperimente der Nationalsozialisten im Konzentrationslager Dachau informiert. Dort wurden an KZ-Häftlingen Unterkühlungsversuche angestellt, um »kriegswichtige Erkenntnisse« für die Rettung abgeschossener und im Wasser treibender Jagdflieger zu gewinnen. Der menschenverachtende Zynismus von SS-Reichsführer Heinrich Himmler ist unfassbar: Es sei von KZ-Häftlingen, die nicht an der Front kämpfen könnten, »wohl nicht zu viel verlangt«, sich für solche Versuche zur Verfügung zu stellen. Auf diese Weise könnten sie sich »rehabilitieren«. Das gelang aber nur wenigen, denn »im Allgemeinen trat der Tod bei einer Senkung der Temperatur auf Werte zwischen 24,2 und 25,7 Grad ein.« So geschehen in den NS-Konzentrationslagern, über deren Tore bekanntlich »Arbeit macht frei« stand. Es sind dieselben Lager, die jetzt von einem österreichischen Politiker ungeniert »Straflager« genannt werden.
     
    Am 12. August 2000 ist das russische Atom-Unterseeboot »Kursk« aus noch ungeklärter Ursache gesunken. Alle Rettungsversuche blieben erfolglos, die 118 Besatzungsmitglieder kamen ums Leben. Als im Oktober 2000 mit dem Versuch der Bergung der Toten begonnen wurde, entdeckte man einen Brief des Kapitänleutnants Dimitrij Kolesnikov, worin stand, dass 23 Matrosen im Heck des gesunkenen Bootes Zuflucht gefunden hatten, jedoch »keiner von uns kann nach oben aussteigen«. Durch den Energieausfall war es finster, die Männer warteten auf den Tod. Sie erstickten langsam, was ein oder zwei Tage, vielleicht aber auch nur Stunden gedauert haben mag. Was passiert dabei? Sauerstoff wird immer weniger, ausgeatmetes Kohlendioxid dagegen nimmt zu. Es kommt zu Kopfschmerzen, Herzklopfen, psychischer Erregung, dann Atemnot, Krämpfen und schließlich Bewusstlosigkeit. Letztendlich hört die Atmung auf, das Herz schlägt jedoch noch bis zu einer halben Stunde weiter.

    In der medizinischen Theorie erwartet man bei Sauerstoffmangel Bewusstseinsstörungen mit eher angenehmen Trugwahrnehmungen, danach einen wohligen Dämmerschlaf, der in den Tod übergeht. Zynische Ärzte haben daher auch für die Matrosen der »Kursk« die Ferndiagnose gestellt: »Ein angenehmer Tod«. Diesen Leuten ist anscheinend nicht bekannt, dass auch für solche Fälle tödliche Menschenexperimente in Nazi-KZs durchgeführt wurden. Und diese Erstickungsversuche ergaben Schreckliches. In den Protokollen steht: »Krampfatmung, unkoordiniertes Strampeln mit den Extremitäten, schreit laut und beißt sich auf die Zunge, Wahnideen, völlig orientierungslos, reagiert auf Schmerzreize usw.«
    Unfassbar ist, wozu manche Ärzte fähig waren.
    Es ist auch Aufgabe der Gerichtsmediziner zu überwachen,
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