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Im Rachen des Alligators

Im Rachen des Alligators

Titel: Im Rachen des Alligators
Autoren: Lisa Moore
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einer Hecke verfing.
    In einem Artikel in der Cosmo steht, dass man seinem Liebsten ein Haargummi um die Eier spannen soll, damit er den ultimativen Orgasmus kriegt. Bringt ihn garantiert auf den Gipfel der Lust, heißt es.
    Es ist eine Zeichnung dabei. Man wickelt das Ding um seinen Hodensack, und das haut ihn dermaßen um, dass er einen niemals verlassen wird, also, er will nie mehr weg, weil man diese unglaubliche Sache mit dem Haargummi gemacht hat und er einem unendlich dankbar ist. Ich sitze einfach nur so auf der Couch und blättere.
    Jetzt sieht man das Kernkraftwerk selbst, überall Chrom und Dampf. Überall glänzende Oberflächen und Hall und ominös klingende Schritte, das geht gern mal vergessen, wie wichtig Soundeffekte in einem Sicherheitsvideo sind.
    Der Typ hat es immer noch von der Sicherheit. Sicherheit dies und Sicherheit das.
    Kolben stampfen in Zylindern, Rohrleitungen seufzen, Dampfwolken schießen hervor, von kirschroten Exit-Schildern oder orangefarbenen Lichtern beleuchtet, dazu ein Piepen und Klingeln und schrille Pfiffe wie von einem Wasserkessel, was alles nicht gerade nach modernster Technik klingt.
    Achten Sie darauf, dass das Haargummi nicht zu eng sitzt, dann kitzeln Sie ihn ein bisschen an den Eiern und schauen, was passiert. Ich weiß, dass bald eine Einstellung mit einem Atompilz kommen wird, denn die Gelegenheit lassen sie sich nicht entgehen, wart ab, wart einfach ab.
    Eine gewisse Dr. Newman schreibt von Blutfluss und Blutandrang und Schwellung und dass sich das Haargummi spannen wird während des normalen Verlaufs eines und wenn man mit dem Mund.
    Da ist sie, bauschig, qualmig und unten schmutzig rotgolden, breitet sich aus am türkisblauen Himmel über der Wüste. Wozu es nicht kommen darf. Wozu China jetzt auch in der Lage ist. Und sonstwer sonstwo womöglich auch. Dutzendware, diese Atompilzaufnahmen.
    Nichts kann einem seltsam erscheinen beim Anschauen dieses Filmmaterials, denn es ist wild zusammengestückelt. Alles ist seltsam. Ein Seltsam reiht sich ans andere. Doch dann geschieht etwas Seltsames. Wir sind plötzlich nicht mehr im Kernkraftwerk, und da sind der Mann und der Alligator. Aber jetzt gibt es einen Begleitkommentar.
    Der Mann kniet sich vor den Alligator.
    Er hat ein Taschentuch in der Hand, und er schwitzt. Der Wissenschaftler kommentiert, dass man im Interesse der Sicherheit bei jeglicher Art von gefährlicher Arbeit strikt demselben Ablauf folgen soll, sei es nun im Atomkraftwerk oder im Zirkus. Er sagt: Dieser Mann wischt sich immer den Schweiß vom Gesicht, ehe er den Kopf in das Maul des Alligators steckt, denn wenn irgendetwas, und sei es nur ein Schweißtropfen, auf die Zunge des Alligators gerät, löst das einen Reflex aus, und das Maul klappt zu.
    Aber wie Sie sehen werden, hat der Mann an diesem extrem heißen Tag in Louisiana vergessen, sich das ganze Gesicht abzuwischen.
    Sehen Sie genau hin.
    Die eine Hälfte seines Gesichts wischt er ab, doch die andere vergisst er.
    Und dummerweise fällt ein Schweißtropfen auf die Zunge des Alligators und löst einen Reflex aus.
    Die Zuschauer weichen hastig zurück, straucheln, fallen, stehen wieder auf, zerstreuen sich. Einige stolpern über den zurückgelassenen Campingstuhl und die Gehstöcke.
    Der Körper des Mannes wird hin und her geschleudert. Seine Fäuste landen für einen Moment auf der Schnauze des Alligators. Er wird nach vorn geworfen, zurück. Seine Beine strampeln. Dann Blut auf dem nackten Rücken, von den Krallen oder vom Herumgeschleiftwerden. Der Alligator schüttelt den Kopf, als wäre er anderer Meinung. Er ist anderer Meinung. Ganz entschieden. Der Alligator versucht mit aller Kraft, dem Mann den Kopf von den Schultern zu reißen. Die ganze Art, wie sich das Tier bewegt, seine Flinkheit, ist abstoßend. Sein Schwanz peitscht und hämmert den Mann in den Dreck.
    Die Kamera läuft weiter, denn vielleicht will sich der Mann den Unfall ja später einmal anschauen, falls er ihn überlebt.
    Oder vielleicht will er, dass andere ihn sich anschauen.
    Es muss eine Schule geben, wo das gelehrt wird: die Kamera nicht zu stoppen. Denn der Kameramann vergisst, die Kamera zu stoppen, allerdings ist längere Zeit nur Erde zu sehen.
    Längere Zeit sieht man nur Erde und die Stiefelspitze des Kameramanns. Staubschleier ziehen vorbei, ein schwarzer Stiefel schiebt sich ins Bild und verschwindet wieder, dann gibt es einen Ruck, und der Mann und der Alligator sind wieder vor der Linse.
    Er ist nicht tot:
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