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Im Rachen des Alligators

Im Rachen des Alligators

Titel: Im Rachen des Alligators
Autoren: Lisa Moore
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Luxus. Er tug gern weiße Hemden, wenn er seine Hotdogs verkaufte. Er sah gern frisch und sauber aus, und welches Waschmittel die Frau auch benutzte – sie hatte hochgegeltes schwarzes Haar und trug Tops zu Leggins mit Leopardenmuster –, seine Hemden rochen immer, als wären sie auf der Leine getrocknet. Er trug eine Baseballkappe, damit keine Haare auf die Hotdogs gelangten. Es war noch nie eine Beschwerde wegen mangelnder Hygiene gekommen.
    Er und Carol hatten gewusst, dass der Inuit Probleme hatte, aber sie wollten sich nicht einmischen. Sie hatten ihn mitten in der Nacht schreien und weinen gehört, ihn mit seinen Bierkästen gesehen. Dann war er von der Bildfläche verschwunden. Die Polizisten waren sieben Minuten nach Carols Anruf dagewesen, hatten sich unter den Eiszapfen hindurchgeduckt, die vom Türrahmen hingen. Sie hatten einander gestreift, als sie versuchten, sich auf dem Fußabtreter, den Carol auf eigene Kosten gekauft hatte, um das Loch im Linoleum zu verdecken, die Schuhe abzuputzen. Sie schlossen die Tür hinter sich, und der Luftzug versetzte die Glühbirne in Schwingung, sodass ihre Schatten schrumpften und sich wieder streckten. Die Männer hatten vom Wind gerötete Gesichter und sahen zufrieden aus, als hätten sie den ganzen Tag draußen gearbeitet und würden demnächst nach Hause gehen.
    Gibt es denn Anlass zur Sorge?, fragte einer der Beamten Carol, die in der Gesellschaft der Männer wichtigtuerisch und gebrechlich wirkte.
    Frank dreht die Dusche auf und nimmt die Rasiercreme aus dem Schränkchen über dem Waschbecken. Er zieht an der Kette über seinem Kopf, und das Licht der nackten Birne, die von der Decke hängt, wirft einen sanften gelben Bogen auf die beigefarbene Wand. Dampf quillt über dem Duschvorhang empor, der transparent und mit großen roten Rosen bedruckt ist. Frank zieht sein T-Shirt aus und beugt sich über das Waschbecken, um seine Bartstoppeln zu begutachten. Er reckt den Hals, überprüft seine Kinnpartie von allen Seiten. Der Spiegel beschlägt, er wischt mit einem Waschlappen einen Streifen frei und fängt an, sich zu rasieren.
    Die Wohnung war leer, als er einzog, bis auf eine Kochplatte, einen Kühlschrank und das Bad mit Toilette und Duschkabine. Über dem zugemauerten Kamin befand sich ein Sims, und er hatte gleich als erstes die Urne mit der Asche seiner Mutter aus dem Koffer genommen und mitten auf das Sims gestellt.
    Das Herbstlicht war in einem Rechteck durchs Fenster hereingefallen, und er hatte die Messingurne so plaziert, dass das Licht sie traf, sie sah aus, als würde sie sich erwärmen, wenn sie lang genug in der Sonne stand. Er wusste nicht, ob es richtig war, die Urne zur Schau zu stellen, aber er merkte, dass ihm wohler war, wenn er sie sehen konnte.
    Er hatte das gesamte Mobiliar seiner Mutter bei einer Haushaltauflösung verkauft, die er im Telegram annonciert hatte. Am ersten Tag in seiner eigenen Wohnung stellte er sich mitten ins Zimmer, er konnte seinen Atem sehen. Er stand da und dachte an seine Mutter. Es gab zwei Fenster, die freien Blick auf den Hafen boten. Frank hatte sich mit dem Rücken zur Wand auf den Boden gesetzt und lange auf den Hafen hinausgeschaut. Er hatte Stift und Notizblock dabei und schrieb auf, welche Stücke er unter »Zu Verschenken« annoncieren wollte. Es waren Sachen von seiner Mutter, die er weder zu verkaufen noch zu behalten übers Herz brachte: Eine Vinylschallplatte, noch in der Zellophanverpackung, mit der Ansprache, die der Papst bei seinem Besuch 1984 an das neufundländische Volk gerichtet hatte, ein Rosenkranz mit Perlen aus Narwal-Elfenbein, eine von seiner Mutter eigenhändig geknüpfte Fußmatte, ein Porträt des Papstes mit zum Segen erhobener Hand.
    Während er dort saß, beschloss er, sich ein Wasserbett zu kaufen. Er hatte sich immer vorgestellt, dass er als erfolgreicher Mann mal ein Wasserbett haben würde, aber jetzt kam ihm der Gedanke, dass er durch den Kauf des Bettes den Mann, zu dem er werden wollte, heraufbeschwören könnte. Man schaffte sich ein Wasserbett an und wurde dadurch die Sorte Mann, die ein Wasserbett besaß.
    Frank hatte gewartet, bis seine Mutter gestorben war, ehe er ihre Wohnung kündigte. Obwohl er die Hoffnung aufgegeben hatte, das nötige Geld zusammenzubringen, um sie in die Mayo-Klinik schicken zu können, hielt er aus einer Art Respekt und Treue an dem Glauben fest, dass sie wieder gesund werden könnte. Bei seinen täglichen Besuchen im Krankenhaus redete er jedesmal
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