Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kaltes Blut

Kaltes Blut

Titel: Kaltes Blut
Autoren: Andreas Franz
Vom Netzwerk:
Unerwiderte Liebe führt oft zu Hass – doch was kommt danach?
     
     
     
Prolog
    Der zurückliegende Tag hatte nasse Kälte gebracht, kein einziger Sonnenstrahl war durch die dunkelgraue Wolkendecke gedrungen. Für die kommenden Tage und Nächte wurden starker Frost und Schneefall angekündigt, und sollten die Meteorologen Recht behalten, so würde es ein sehr schneereicher Jahreswechsel werden.
    Er blickte auf die Uhr, zehn nach drei. In dieser Nacht lud er seine Fracht in den Kofferraum, fuhr bis zum Parkplatz in unmittelbarer Nähe des Baggersees, und er war sicher, dass niemand ihn beobachtete, denn es war kalt, die Straßen glatt, dicke Schneeflocken fielen zu Boden. Hinter keinem der Fenster brannte mehr Licht, der Ort schlief, selbst die Straßenlaternen waren an dieser Stelle seit Mitternacht ausgeschaltet. Vor allem im Winter, wenn die Nächte sich unendlich in die Länge zogen, sah man ab spätestens acht Uhr abends kaum noch einen Menschen in den kleinen Straßen und Gassen, außer solche, die mit ihren Hunden noch mal raus mussten, nein, sie verschanzten sich lieber hinter den dicken Mauern ihrer Reihenhäuser, Villen und Bungalows, was ihm jetzt zugute kam.
    Kein Geräusch drang an seine Ohren, nicht einmal das Starten eines Flugzeugs. Eine gespenstische Stille hatte alles erfasst, nur der Ostwind jagte heulend über das freie Land. Er schaltete den Motor aus, nahm das Nachtsichtgerät vom Beifahrersitz, setzte es auf und vergewisserte sich, dass er tatsächlich allein war. Er atmeteschwer, die letzten Stunden hatten ihm viel abverlangt, sein Körper und seine Nerven waren zum Zerreißen gespannt.
    Er schob das Sichtgerät nach oben, denn jeder Lichtstrahl hätte in seinen Augen geschmerzt, als würde er direkt in die Sonne blicken. Er öffnete die Tür und sah noch einmal um sich. Lautlos hob sich die Kofferraumhaube, er nahm das in festes Leinentuch sorgsam verschnürte Bündel heraus und legte es sich über die Schulter. Das Sichtgerät erneut auf den Augen, ließ er seinen Blick von einer Seite zur andern wandern, bis er an der Stelle ankam, wo das große Schlauchboot lag, das sich selbst aufblies und das er nachher zusammengefaltet wieder mit nach Hause nehmen würde. Es war verboten, auf dem Baggersee Boot zu fahren, doch in dieser Winternacht war das Letzte, was jemand vermuten würde, dass ein Verrückter hier ein Boot zu Wasser lassen würde.
    Er legte das Bündel hinein, ging zweimal zum Wagen zurück und holte drei je fünfzehn Kilogramm schwere Eisengewichte und eine etwa fünf Meter lange Kette. Trotz des Sichtgeräts musste er aufpassen, dass er nicht stolperte, doch diese Gegend war ihm derart vertraut, dass er fast jeden Stein und jede Unebenheit kannte. Das Boot schaukelte, als er auch noch die Gewichte hineinlegte und damit begann, beinahe mechanisch die Kette um das Stoffbündel zu wickeln und schließlich die Gewichte mit extra starken Sicherheitsschlössern daran zu befestigen.
    Seine Hände waren trotz der Handschuhe kalt, sein Gesicht wie erstarrt. Er war sicher, hier würde niemand suchen, und es gab Stellen, an denen der See bis zu dreißig Meter tief war. Er hatte es selbst ausgemessen und kannte die tiefsten Stellen. Und sogar im Sommer war das Wasser so trüb, dass man kaum mehr als zwanzig oder dreißig Zentimeter unter die Oberfläche sehen konnte. Nachdem er seine Arbeit beendet hatte, nahm er die kalten Ruder und fuhr bis zur Seemitte. Er holte die Ruder ein, warf einen letzten Blick auf das Bündel, ging in die Knie und verlagerte sein Gewicht auf die linke Seite, während er unter den Stoff griff und mit verzerrtem Gesicht seine schwere Fracht über den Bootsrand hievteund ins Wasser plumpsen ließ. In diesem Moment fingen ein paar Enten an zu schnattern, verstummten jedoch gleich wieder. Das Boot wackelte, er hatte Mühe, nicht die Balance zu verlieren. Er hörte, wie Blasen aufstiegen, und er meinte auch zu hören, wie das Bündel schließlich nach einigen Sekunden den Grund des kleinen Gewässers erreichte.
    Nein, dachte er, hier wird niemand suchen, denn der See war schon vor längerem zum Sperrgebiet für Schwimmer erklärt worden. Sobald die ersten warmen Tage kamen, würden zwar viele Menschen ihre freien Stunden am Ufer verbringen oder an der Grillstelle, aber sie würden bis auf wenige, die die Verbotsschilder missachteten, nicht ins Wasser springen, da auf den Schildern deutlich darauf hingewiesen wurde, dass eine unberechenbare, kalte Unterströmung selbst
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher