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Im Netz Der Schwarzen Witwe

Im Netz Der Schwarzen Witwe

Titel: Im Netz Der Schwarzen Witwe
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bleiben, die ich zur Vorstandsassistentin befördert habe.“ Lächelnd fügte sie hinzu: „Ich bedanke mich für Ihr Verständnis und werde Sie alle bei der nächsten jährlichen Aktionärsversammlung sehen.“
    Sie nahm ihren Aktenkoffer und verließ zügig den Raum.
    Das Opium wirkte.
    Seine Pupillen waren beinah nur noch stecknadelkopfgroß, und er sabberte ein wenig. Benommen blinzelnd beobachtete er, wie sie tanzte.
    Diesen Teil mochte sie. Damit zeigte sie ihm, dass er nie mehr die Gelegenheit bekommen würde, etwas zu empfinden oder jemanden zu verletzen.
    Sicher, dieser hier war sanftmütig gewesen. Er hatte sie mit seinen alten weichen Händen nie geschlagen. Stets hatte er darauf geachtet, ihr nicht wehzutun. Er hatte ihr teure Geschenke gemacht. Doch der Akt an sich blieb immer ein Akt der Gewalt, immer ekelhaft, und er verlangte grundsätzlich nach einer Strafe.
    Der Todesstrafe.
    Ihr Kleid fiel zu Boden und bildete einen See aus Seide zu ihren Füßen. Geschickt stieg sie heraus. Seine Augen waren glasig, doch die Begierde, die ihr Anblick in ihm weckte, war darin zu sehen. Er streckte die Hand nach ihr aus, doch besaß er nicht mehr genügend Kraft, um sie zu erreichen.
    Und sie tanzte immer noch weiter, zum Rhythmus, mit dem das Blut durch ihre Adern gepumpt wurde, in Erwartung des Momentes, in dem er ihr in die Augen blicken und begreifen würde, dass er ein toter Mann war.
    Freiheit.
    Das Bewusstsein traf sie wie die kalte Luft, die ihr durch die offene Tür am Ende des Ganges entgegenwehte. Sie erschien ihr frisch und rein, wie jene Frühlingsbrise, die Hoffnung, Lebendigkeit und Erneuerung brachte. Durch die geöffnete Tür konnte sie ihr Auto auf dem Parkplatz sehen, das für ihre Flucht bereitstand.
    „Mariah.“
    Es gab nur eine Person im Vorstand, die ihren Aufbruch verhindern konnte, zumindest vorübergehend. Susan Kane. Tante Susan. Marie drehte sich um, wobei sie rückwärts weiter den Flur entlangging.
    Susan folgte ihr, und ihr langes Kleid mit Batikmuster wehte im Wind. In ihren blaugrauen Augen lag ein Ausdruck von Missbilligung. „Mariah“, rief sie Marie ein weiteres Mal bei dem Kosenamen aus ihrer Kindheit. „Anscheinend hast du das schon seit einiger Zeit geplant.“
    Marie schüttelte den Kopf. „Erst seit zwei Wochen.“
    „Ich wünschte, du hättest es mir erzählt.“
    Jetzt blieb Marie stehen und begegnete dem strengen Blick der älteren Frau. „Das konnte ich nicht“, sagte sie. „Ich habe es selbst den meisten meiner Mitarbeiter erst heute Morgen erzählt.“
    „Warum?“
    „Die Firma braucht mich nicht mehr“, erklärte Marie. „Die letzten Entlassungen liegen drei Jahre zurück. Wir haben es geschafft, Sue. Die Profite steigen kontinuierlich, wir sind erfolgreich. Du kennst die Zahlen doch genauso gut wie ich.“
    „Dann nimm dir Urlaub und entspann dich für eine Weile.“
    Marie lächelte reumütig. „Das ist ja ein Teil meines Problems“, gestand sie. „Ich kann mich nicht entspannen.“
    Susans Miene wurde sanfter, ein Ausdruck von Besorgnis trat in ihre Augen. „Macht dir dein Magen immer noch zu schaffen?“
    „Unter anderem.“ Es gab noch so viele andere Gründe. Sie war zweiunddreißig Jahre alt und hatte seit ihrer Scheidung vor vier Jahren kein Privatleben mehr. Nach wie vor machte sie unzählige Überstunden, um den Profit zu erhöhen, um zu expandieren, um noch mehr Leute einzustellen. Dabei zählte die marode Computersoftwarefirma, die ihr Vater ihr nach seinem tödlichen Herzinfarkt hinterlassen hatte, längst zu den fünfhundert erfolgreichsten Unternehmen. Jeden Morgen, wenn sie das neue Bürogebäude betrat, fragte sie sich, was sie hier eigentlich tat. Wozu war es gut, dass sie sich mit der Leitung des Unternehmens so viel Stress antat, dass sie davon Magengeschwüre bekam?
    Wenn sie so weitermachte, würde sie mit sechzig noch in ihrem Büro sitzen, viel zu spät Feierabend machen und in ihre trostlose Eigentumswohnung zurückkehren. Sie würde nach wie vor aus Kartons leben, weil sie es immer noch nicht geschafft hätte, ihre Habseligkeiten auszupacken.
    Sie würde auf ihr Leben zurückblicken, auf diese sinnlos verschwendeten Jahre.
    Denn die Wahrheit lautete, dass sie dieses Unternehmen nie führen wollte, obwohl sie auf Wunsch ihres Vaters Betriebswirtschaft studiert hatte.
    Zugegeben, es hatte Jahre gedauert, bis sie in der Lage war, es sich selbst einzugestehen. Dabei hatte sie bis heute noch keine Ahnung, was sie wirklich tun
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