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Im Namen des Kreuzes

Im Namen des Kreuzes

Titel: Im Namen des Kreuzes
Autoren: Peter Probst
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war der Junge mit Sicherheit nicht in die Kapelle gekommen. Er ging dicht an der Mauer um das schlichte Gebäude herum. An den Seiten gab es keine Öffnungen und vor den beiden Fenstern in der kleinen Apsis waren schmiedeeiserne Gitter angebracht.
    Ich hätte im Pfarrhof bleiben können, dachte Schwarz, oder noch besser gleich zurück nach Pasing fahren sollen.
    Er hatte sich mal wieder von einer fixen Idee leiten lassen. Gerade eben, vor dem Kapellentor, hatte er Patrick regelrecht vor sich gesehen: Er lag zusammengekrümmt vor dem ungeschmückten Altar, und hinter ihm lehnte der Heiland mit dem Gesicht gegen die Wand, weil der Junge das Kreuz abgehängt hatte.
    Plötzlich stutzte Schwarz. Am Boden lagen Glasscherben. Er trat näher. Eine Scheibe war zerbrochen. War Patrick zwischen den Eisenstäben in die Kapelle geschlüpft? War er so dünn?
    Er schaute durch das Fenster, aber er blickte nur in ein dunkles Loch.
    »Patrick, bist du da drinnen?«
    Keine Reaktion.
    »Ich bin es. Anton Schwarz, der Mann aus dem Beichtstuhl.«
    Klingt irgendwie komisch, dachte er.
    »Der Pater ist tot. Wir wissen, dass er sich umgebracht hat. Und du musst nicht mehr ins Kloster zurück.«
    Er hörte etwas. Ein Schlurfen. Es kam näher. Der Junge am Fenster war bleich und hatte dunkle Schatten unter den Augen. Er sah ihn mit dem Ernst eines alten Mannes an.
    »Sicher?«
    Schwarz nickte.
    »Schwör es!«
    »Patrick, jetzt keine Spielereien mehr, du kannst mir vertrauen. Komm raus!«
    Als Patrick endlich vor ihm stand und ihn misstrauisch ansah, tat Schwarz etwas, das ihn selbst überraschte: Er nahm den Jungen fest in den Arm.
    Und sie fingen beide an zu weinen.

59.
     
    14 Tage später
     
    Das Treppenhaus sah aus, als hätte dort ein Künstler im Stile Christos gewirkt. Überall hing Folie, die verhindert hatte, dass sich der Staub von Ziegeln und Mörtel auf die Currys im Koh Samui legte. Zwei Männer im Blaumann bauten ein Gerüst ab. Ein Maler gipste die letzten Löcher in der Wand zu.
    Schwarz betrachtete skeptisch die Schiene an der Decke, die vom Erdgeschoss in den Oberstock führte.
    »Ist der Strom angeschlossen?«
    »Ja, sicher«, sagte einer der Handwerker.
    »Und Sie haben einen Test gemacht?«
    »Den machen dann Sie.« Er lachte.
    Schwarz entfernte die Staubsperre aus Plastik.
    Vor einer Stunde hatte Kolbinger angerufen, um ihm die letzten Neuigkeiten mitzuteilen. Angeblich stiegen die Chancen, die Sancta Militia Jesu als kriminelle Vereinigung anzuklagen. Perfall, der sich wieder Tramin nannte, war gegen eine hohe Kaution aus der Untersuchungshaft entlassen worden. Trotz aller Bemühungen der Kriminalpolizei war ihm bisher nicht nachzuweisen, dass er die mutmaßlichen Mörder Heimerans und Webers gedungen hatte. Die Vernehmung des Dekans Wels hatte keine Hinweise auf eine wissentliche Zusammenarbeit mit der Militia erbracht. Er hatte es wohl als seine Pflicht betrachtet, den vermeintlichen kirchlichen Ermittler zu unterstützen. Patrick war aus Sicherheitsgründen in einem ausländischen Internat untergebracht, bis er als einer der wichtigsten Zeugen im Prozess gegen die Sancta Militia Jesu auftreten sollte.
    »Was ist denn hier los?«
    Schwarz fuhr herum. »Luisa.«
    »Du wirkst nicht sonderlich erfreut, Papa.«
    »Ehrlich gesagt, passt es gerade nicht so gut.«
    »Ich zeige dir nur schnell ein Ultraschallbild.«
    Sie reichte ihm den Ausdruck. Schwarz blickte auf ein unregelmäßiges Muster aus hellen und dunklen Flächen, konnte aber beim besten Willen keinen Embryo erkennen.
    »Findest du auch, dass er dir ähnlich sieht?«
    »Hm.«
    Da ging die Tür zum zweiten Mal auf.
    »Da sind wir!«, rief Hildegard und schob Eva ins Treppenhaus.
    »Hallo, Luisa.«
    »Hallo, Eva!«
    Die beiden drückten sich.
    »Ihr seid zu früh, Mama!«, zischte Schwarz.
    »In zwei Minuten sind wir weg«, rief einer der Handwerker.
    Eva, die an der rasierten Stelle über ihrer Stirn nur noch ein kleines Pflaster trug, verfolgte verwirrt, wie ein letztes Gerüstteil, ein großer Karton mit Plastikfolien und das Werkzeug aus dem Haus getragen wurden. Schwarz nutzte das, um seiner Tochter unauffällig das Ultraschallbild zurückzugeben.
    Dann waren die vier allein.
    »Es ist völlig ungefährlich«, sagte Schwarz und befestigte die Karabiner an Evas Rollstuhl. Er reichte ihr eine Fernbedienung.
    »Wenn irgendwas nicht stimmt, drückst du einfach auf Stopp. Klar?«
    Eva nickte. Sie war immer noch sprachlos.
    »Hier«, sagte Schwarz und deutete auf
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