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Im Namen des Kreuzes

Im Namen des Kreuzes

Titel: Im Namen des Kreuzes
Autoren: Peter Probst
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dir. Und du kannst drauf warten, dass das, was vor dir liegt, die Hölle ist. Es sei denn …«
    Er machte eine Pause und fixierte Patrick.
    »Es sei denn, du machst einen radikalen Schnitt. Ich nehme an, du weißt, dass das hier deine letzte Chance ist, Patrick. Wenn du es wirklich schaffen willst, wenn du irgendwann ein Leben führen willst, in dem du respektiert und geliebt wirst und dich in andere einfühlen und selbst lieben kannst, musst du alles vergessen, was du bisher gedacht hast und was dir von anderen gesagt wurde.«
    Der Junge starrte ihn an.
    »Sogar die Stimme deines Bruders musst du vergessen.«
    »Das … das kann ich nicht.« Er sprang auf.
    Der Mann drückte ihn auf den Stuhl zurück. »Du stehst auf, wenn ich es sage, klar?«
    Patrick erschrak über den Ton des Mannes, der aber gleich wieder sein sanftes Lächeln aufsetzte. »Wir können dir hier helfen, ein neuer Mensch zu werden. Aber dazu musst du uns vertrauen.«
     
    Patrick schwieg. Er hatte das Gefühl, dass der Mann womöglich recht hatte. Vielleicht war das Haus der Gnade wirklich seine letzte Chance – wenn er nicht enden wollte wie sein Bruder.
    »Hast du schon mal gebetet?«
    Jetzt kam die Nummer. Aber was hatte er anderes erwartet?
    Er schüttelte den Kopf.
    »Aber du kennst sicher ein Gebet? Das Vater unser ?«
    »Hab ich vergessen.«
    Der Mann stand auf und trat unter ein Kruzifix. Er deutete auf den Gekreuzigten. »Schau dir diesen Menschen an!«
    Patrick blickte zu der Jesusfigur, die genauso blass und mager war wie er. Der Kopf mit der Dornenkrone hing zur Seite, die Augen waren nach oben verdreht, dicke Blutstropfen klebten wie Marmelade auf der Stirn.
    »Versuche zu spüren, wie er leidet.«
    Patrick überlegte, ob sein Bruder so ähnlich ausgesehen hatte, als sie ihn fanden. Er hatte nie Einzelheiten erfahren, aber es gab Gerüchte, er sei gefoltert worden. Aus Rache, weil er bei irgendeinem Drogendeal beschissen hatte. Wahrscheinlich hatten sie ihn gar nicht tot machen wollen, es war ihnen nur so passiert. Sie wussten ja nicht, dass er einen Herzfehler hatte. Das durfte keiner wissen.
    »Er leidet auch für dich.«
    Patrick musste grinsen, weil er es ziemlich schräg fand, wie der Mann über die Figur sprach – als wäre sie lebendig.
    »Seine Feinde haben ihn gequält, verhöhnt, ans Kreuz geschlagen und dort elendiglich sterben lassen. Trotzdem ist seine Botschaft nicht der Hass, sondern die alles umfassende Liebe. Davon hast du doch sicher schon gehört?«
    »In der Grundschule vielleicht.«
    »Als Erstes werde ich dir beibringen, wie man zu ihm betet.«
    Scheiße, jetzt soll ich zu einer Figur beten, dachte er.
    »Vielleicht findest du das, wie manches andere im Haus der Gnade zuerst merkwürdig. Aber wenn du dich darauf einlässt, wirst du bald merken, was für ein unendliches Geschenk das Gebet ist und welche Kraft aus ihm strömt. Du wirst spüren, wie es nach und nach alle deine Sünden von dir abwäscht. Du wirst eine ganz neue Stärke erleben und irgendwann hörst du die Stimme des Herrn, der dich vor dem Bösen bewahrt und durch die Dunkelheit zum Licht führt. Jetzt knie dich bitte hin, Patrick!«
    »Was?«
    Der Mann zeigte milde lächelnd auf den Platz unterm Kreuz.
    Das meint der nicht ernst, dachte der Junge.
    Aber der Mann wiederholte seine Aufforderung.
    »Auf den Boden?«
    »In der Luft können nur Heilige wie Filippo Neri knien.«
    Der verarscht mich doch, dachte Patrick.
    »Es ist wichtig, dass du deinen falschen Stolz ablegst und zeigst, wie klein und erbärmlich du im Angesicht des Herrn bist. Du kennst vielleicht das Gebet: O Herr, ich bin nicht würdig, dass du eingehest unter mein Dach, aber sprich nur ein Wort, dann wird meine Seele gesund .«
    »Nö, nie gehört.«
    »Dann fangen wir damit an. Also, Patrick, knie dich hin!«
    Ich muss den ganzen Quatsch mitmachen, dachte der Junge, dann lassen die mich vielleicht bald raus aus dieser Irrenanstalt, und ich kann abhauen, nach Kanada oder Australien.
    Er stand auf und kniete sich ungelenk hin. Dabei spürte er einen Stich in dem Knie, das er sich beim Fußballspielen aufgeschürft hatte.
    Der Mann trat hinter ihn. »Sprich mir einfach nach, Patrick. O Herr, ich bin nicht würdig … Komm, das ist doch nicht schwierig: O Herr …«
    Patrick seufzte tief. »…  ich bin nicht würdig .«
    » Dass du eingehest … «
    »Dass du rein gehst …«
    »Einge-hest.«
    » Eingehest unter mein Dach .«
    Sie sprachen das Gebet gemeinsam zu Ende und der
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