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Im Namen des Kreuzes

Im Namen des Kreuzes

Titel: Im Namen des Kreuzes
Autoren: Peter Probst
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seiner Todessehnsucht geraten ist. Sie hält es nicht aus, eine Mitschuld an Matthias’ Tod zu tragen, deshalb muss dieser Pfarrer als Sündenbock herhalten.
    Frau Sass nahm seine Hand und drückte sie. »Sie müssen mir helfen. Ich kann nicht mehr schlafen, wenn ich nicht weiß, was dieser … Unmensch mit meinem Sohn gemacht hat.«
    Schwarz brauchte nicht lange zu überlegen. »Es tut mir sehr leid«, sagte er«, »aber das ist kein Fall für mich.«
    »Aber wieso nicht?«
    Sollte er ihr die Wahrheit sagen? Sollte er ihr erklären, dass er keine Lust hatte, einem Priester hinterherzuschnüffeln, damit sie besser schlief?
    Er wählte einen bequemeren Weg. »Ich habe einfach zu wenig Ahnung von der Kirche, Frau Sass. Ich bin ein armer Heide, verstehen Sie?«
    »Das … das macht nichts. Ist vielleicht sogar besser. Dann gehen Sie nicht zu respektvoll mit dem Pfarrer um. Bitte, Herr Schwarz.«
    Sie drückte seinen Arm. Ihre Hand war eiskalt.
    »Warum fragen Sie ihn nicht selbst?«
    »Ich?«
    »Ja, er soll Ihnen erklären, was er mit dem Satz Erklär mir, Liebe gemeint hat.«
    »Das … das kann ich nicht.«
    »Frau Sass, Sie haben erleben müssen, wie Ihr Kind sich umgebracht hat. Jetzt wollen Sie wissen, was der wahre Grund war. Da werden Sie es doch schaffen, eine unangenehme Frage zu stellen?«
    Sie senkte den Blick und schwieg.
    Doch als Anton Schwarz in seinen dunkelblauen Golf stieg, wählte Irmgard Sass bereits die Nummer des Priesters.
    »Pfarrei Sankt Meinrad, grüß Gott.« Es war die Haushälterin. »Hallo, wer ist denn da?«
    »Hier ist … Sass.«
    »Hallo, Frau Sass. Sie wollen den Herrn Pfarrer sprechen, nehme ich an. Der ist leider auf Exerzitien.«
    »Wann kommt er zurück?« Ihre Stimme klang seltsam tonlos.
    »Morgen. Kann ich Ihnen irgendwie helfen?«
    Frau Sass schwieg.
    »Ist es was Ernstes? In Notfällen vertritt ihn der Herr Dekan. Soll ich Ihnen die Nummer geben?«
    »Nein, danke, nicht nötig.«
    Eine halbe Stunde später trat Irmgard Sass in das Büro des Dekans. Der Mann hieß Peter Wels und hatte vor Kurzem seinen sechzigsten Geburtstag gefeiert. Sein scharfes Profil stand in einem merkwürdigen Kontrast zu seiner eher barocken Figur.
    »Sie wollen also beichten, Frau Sass«, sagte er und schob ihr einen Stuhl hin.
    »Ja, aber es geht nicht um mich.«
    »Bitte?«
    »Ich möchte ein Beichtgespräch, weil ich ganz sicher sein will, dass niemand etwas von dem erfährt, was wir reden.«
    Der Pfarrer lehnte sich etwas nach vorn und betrachtete sie mit zusammengekniffenen Augen. »Einverstanden.«
    Irmgard Sass öffnete ihre braune Handtasche und zog das Bildchen des heiligen Franziskus hervor.

4.
     
    »Ich wusste gar nicht, dass du auf Statussymbole stehst«, sagte Eva grinsend, als Schwarz ihr die verbeulte Wagentür aufhielt.
    Er half ihr beim Einsteigen und verstaute ihren Rollstuhl im Kofferraum. »Gefällt dir mein Golf nicht?«
    »Doch, er hat was. Ist das saure Milch?«
    »Was?«
    »Der Geruch.«
    »Kann sein, dass Luisa mal eine Tüte geplatzt ist.«
    »Aber das Radio hat ein Spitzen-Design.«
    Sie fuhren die Landsberger Straße stadteinwärts und standen nach wenigen hundert Metern im Stau.
    »Ich dachte, die sind fertig mit der Baustelle«, stöhnte Eva.
    »Das ist schon die nächste. Ich schwöre dir, in ein paar Jahren ist Pasing Brasilia.«
    »Brasilia?«
    »Ja, eine richtige Reißbrett-Stadt.«
    Sie schwieg.
    Was rede ich denn da für einen Blödsinn, dachte Schwarz.
     
    Ich bin doch kein verklemmter Teenager. Mein Gott, ich liebe diese Frau, ich würde Sie am liebsten …
    »Interessiert es dich eigentlich gar nicht, was bei meiner Untersuchung in den USA rausgekommen ist, Anton?«
    »Was glaubst du denn? Natürlich.«
    »Du hast mich ja nie so genau gefragt. Wahrscheinlich hast du wie die meisten gedacht, ich sei querschnittsgelähmt.«
    Schwarz nickte.
    »Also pass auf: Ich habe Glück gehabt. Wenn man das so nennen kann. Tim Burger hat mir bei seiner Amokfahrt nur das Becken und die Wirbelsäule gebrochen. Mein Rückenmark ist aber unverletzt geblieben.«
    In die Wagenkolonne kam Bewegung. Schwarz legte den Gang ein und ließ die Kupplung kommen. Der Golf machte einen Satz.
    »Entschuldigung«, sagte er, »ich muss mich noch an ihn gewöhnen.«
    »Das Problem bei solchen Brüchen ist, dass bei der Heilung oft der Kanal mit dem Rückenmark enger wird. Deshalb spüre ich zwar meine Beine noch, kann sie aber nicht mehr richtig bewegen. Die Mediziner nennen das lumbale
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