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Im Namen des Kreuzes

Im Namen des Kreuzes

Titel: Im Namen des Kreuzes
Autoren: Peter Probst
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Spinalstenose. Langweile ich dich?«
    »Nein, überhaupt nicht. Und kann man das operieren?«
    »Im Prinzip ja. Die haben inzwischen Techniken, mit denen sie den alten Zustand der Wirbelsäule und des Kanals weitgehend wiederherstellen.«
    »Aber?«
    »Es ist ziemlich riskant.«
    »Was kann passieren?«
    »Dass ich hinterher querschnittsgelähmt bin.«
    Schwarz sah sie entsetzt an und trat auf die Bremse.
    »Wenn alles nach Plan laufen würde, wäre ich in einem Jahr wieder ein ganz normaler Mensch, wenn nicht … daran möchte ich gar nicht denken.«
    »Mein Gott, Eva, wie sollst du dich denn da entscheiden?«
    »Genau das ist das Problem.« Sie schwieg und sah aus dem Fenster.
    Anton schluckte.
    Nach der Baustelle löste der Stau sich auf, und sie kamen zügig voran. Eva sprach erst wieder, als sie die Stadt bereits verlassen hatten. »Ich denke ununterbrochen drüber nach, aber ich glaube, ich bin einfach zu feige dazu. Wenn ich es irgendwann gar nicht mehr aushalte mit dem Scheißrollstuhl und all den andern Schwierigkeiten, riskiere ich’s vielleicht – oder wenn meine Freunde mich nicht mehr aushalten«, fügte sie leiser hinzu.
    Ich liebe dich so, wie du bist, dachte Schwarz, fuhr rechts ran, stieg aus und hob sie aus dem Auto. Dann küsste er sie, und erst als er spürte, wie seine Arme zu zittern begannen, setzte er sie sanft wieder auf den Beifahrersitz.
    »Wenn ihr es genau wissen wollt, es ist unerträglich hier«, sagte Hildegard Schwarz.
    »Aber wieso denn?«, sagte Eva.
    »Schaut euch doch um: Ich bin umgeben von wandelnden Leichen.«
    Ein kurzer Blick über den zugegeben trostlosen Aufenthaltsraum bestätigte ihre Einschätzung nicht ganz: Die meisten Patienten waren im beginnenden Rentenalter.
    »Die paar, die noch nicht scheintot sind, sind dement. Die zum Beispiel hier.«
    Eine Frau im Bademantel lief mit einem Rollator an ihnen vorbei und grüßte.
    »Schau mich nicht so vorwurfsvoll an, Anton. Die ist komplett schwerhörig.«
    »Da verwechseln Sie mich«, sagte die Frau freundlich.
    »Gibt es denn keinen Menschen, mit dem du dich unterhalten kannst?«, fragte Eva.
    »Doch, schon. Aber leider interessiere ich mich nicht für Inkontinenz und andere Unterleibsfragen. Apropos, du könntest uns dein Noro-Virus zurückbringen, Anton, dann wären wir wenigstens das Verstopfungs-Problem los.«
    Schwarz öffnete eine Tür ins Freie. Sie gingen zwischen der Klinik und dem Schlachtbetrieb hindurch zu einem Aussichtspunkt mit einer Bank. »Die Lage ist doch grandios, Mama. Um das Panorama würden dich viele beneiden.«
    »Das sehe ich ja nie, weil ich ständig diese komischen Anwendungen machen muss. Fango, so ein Quatsch. Ich habe den Damen in der Verwaltung schon hundertmal gesagt, dass ich noch nie Rückenschmerzen hatte, aber davon welche bekomme. Und erst recht diese lächerlichen Gummibänder, an denen ich immer ziehen soll. Wer zahlt denn das alles?«
    »Die Kasse«, sagte Schwarz.
    »Aber nur zwei Behandlungen am Tag«, warf Eva ein, die ihre Erfahrungen mit solchen Kliniken hatte.
    »Bitte? Das hat mir kein Mensch gesagt. Ich soll dafür auch noch blechen? Ich rede sofort mit dem Geschäftsführer – Tacheles rede ich mit ihm.«
    »Jetzt warte doch mal, Mama. Wollen wir nicht erst mal überlegen, wohin wir zum Essen gehen?«
    »Ach, da können wir hier bleiben.«
    »Das Essen ist also gut?«
    »Es ist ganz passabel – das sagen jedenfalls die anderen Patienten. Ich kann hier ja leider nichts mehr essen, seit ich beobachtet habe, wie von nebenan mit einer Schubkarre Schlachtabfälle in unsere Küche gebracht wurden.«
    »Bitte? Das ist doch nicht wahr?« Schwarz sah sie entgeistert an.
    Seine Mutter grinste. »Es könnte aber wahr sein, weil die Alten hier nach Strich und Faden verarscht werden.«
    Schwarz überlegte einen Moment. »Pass auf, Mama, dann packst du jetzt deine Sachen und kommst mit nach Hause.«
    Seine Mutter fuhr herum. »Was? Wieso denn?«
    »Weil es hier ja offenbar die Hölle für dich ist.«
    »Aber der Arzt hat mir die Kur verschrieben. Ich muss mich erholen.«
    »Du hast noch nie das getan, was dir die Ärzte gesagt haben.«
    »Aber man hat nur alle paar Jahre das Recht auf eine Kur. Ich denke nicht dran und schenke der Krankenkasse auch noch Geld. Nein, ich gehe hier auf keinen Fall weg.«
    Eva und Schwarz warfen sich belustigte Blicke zu.
    »Dann frage ich dich jetzt noch mal, Mama: Gibt es hier in der Nähe irgendein nettes Lokal?«

5.
     
    Die beiden Mädchen und
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