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Im Namen des Kreuzes

Im Namen des Kreuzes

Titel: Im Namen des Kreuzes
Autoren: Peter Probst
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Eckbank.
    »Bitte, setzen Sie sich. Was trinken Sie? Früchtetee? Eine Limo?«
    »Nein, danke.«
    »Detektive lieben Whisky, ich weiß.« Sie lachte übertrieben. »Aber so was habe ich leider nicht.«
    Warum ist sie so nervös, dachte Schwarz. Bei ihrer letzten Begegnung hatte Frau Sass einen introvertierten, fast depressiven Eindruck gemacht, jetzt wirkte sie seltsam aufgekratzt. Nahm sie Medikamente? Oder war das die Energie der Verzweiflung, die manchmal einem Zusammenbruch vorausging?
    Zu seinem Befremden setzte sie sich nicht auf den Stuhl gegenüber, sondern neben ihn. Sie holte tief Luft. »Es ist so schwierig.«
    Schwarz sah sie an. »Was denn?«
    »Ich habe nie in meinem Leben über solche Dinge gesprochen.« Sie nestelte an ihrem dunkelblauen Rock. »Nie.«
    »Über welche Dinge denn, Frau Sass?«
    »Entschuldigung, ich bin gleich wieder da.« Sie lief aus dem Raum.
    Schwarz nahm an, dass sie zur Toilette musste, und kontrollierte sein Handy, das auf stumm gestellt war.
    Endlich. Die heiß ersehnte Nachricht von Eva: Wollen wir übermorgen deine Mutter besuchen?
    Warum nicht gleich morgen, und warum meine Mutter besuchen, dachte er, tippte aber als Antwort: Übermorgen passt perfekt. Ich freue mich!
     
    Frau Sass legte kommentarlos ein kitschiges Heiligenbildchen auf den Tisch. Es zeigte einen Mönch mit Tonsur, der in einer braunen Kutte mit hochgeschlagenem Kragen in einem Weinberg stand. Auf den Rebstöcken saßen kleine bunte Vögel neben friedlichen Falken und lauschten seiner Predigt.
    Schwarz war alles andere als ein Experte, aber den heiligen Franziskus kannte er. Nur, was wollte Frau Sass ihm damit sagen? Wollte sie ihn bekehren?
    »Warum zeigen Sie mir das?«
    Sie errötete und bat ihn mit zittriger Stimme, das Bildchen umzudrehen. Auf die Rückseite hatte jemand mit schöner schwungvoller Handschrift drei Wörter geschrieben: Erklär mir, Liebe .
    »Das … habe ich in einem von Matthias’ Büchern gefunden.«
    Schwarz hatte keine Ahnung, auf was sie hinauswollte.
    »Sie denken jetzt wahrscheinlich: Na und, dann war der Matthias halt mal verliebt. Was soll das Problem sein, er war ja noch nicht zum Priester geweiht.«
    Das hatte Schwarz nicht gedacht, trotzdem nickte er.
    »Sie fragen sich vielleicht auch, warum ich es nicht tröstlich finde, dass mein Junge in seinem kurzen Leben wenigstens ein Mal der Liebe begegnet ist.«
    »Ja«, sagte Schwarz, »da haben Sie recht.«
    »Aber das war keine Liebe!«, rief sie mit schriller Stimme.
    Schwarz verstand überhaupt nichts mehr.
    Erst jetzt reichte Frau Sass ihm die Ansichtskarte, die sie die ganze Zeit hinter ihrem Rücken verborgen hatte.
    Schwarz betrachtete die Fotografie eines Klosters im Voralpenland. »St. Joseph, Steinsberg. Wo ist das?«
    »Nicht weit vom Chiemsee.« Sie riss ihm die Karte aus der Hand und drehte sie um. »Da: Herzliche Grüße. Wolfgang .« Sie war jetzt totenbleich.
    Schwarz brauchte eine Weile, bis er begriff. Die Schrift war dieselbe wie auf dem Heiligenbildchen. »Wer ist denn dieser Wolfgang?«
    Frau Sass presste die Lippen zusammen.
    »Ein Studienkollege von Matthias?«
    »Es ist der Mann«, brach es aus ihr heraus, »der meinen Sohn seit seinem zehnten Lebensjahr seelsorgerisch begleitet hat, erst als Ministranten und dann als Theologiestudenten. Es ist … Pfarrer Heimeran.« Sie schluchzte laut auf.
    Ach, du heilige Scheiße, dachte Schwarz, aber er sagte: »Aber, Frau Sass, das muss doch nichts bedeuten.«
    »Nichts bedeuten? Als Matthias diese Karte bekommen hat, war er höchstens sechzehn.«
    »Und das Heiligenbildchen?«
    »Das weiß ich nicht.«
    Schwarz holte Luft. »Ich kenne mich da nicht so gut aus, aber ist es nicht so, dass Priester beim Wort Liebe eher weniger an Sex denken?« Er suchte nach Worten. »Kann damit nicht auch eine ganz unschuldige Form der Liebe gemeint sein?«
    Frau Sass ließ sich auf den Stuhl sinken und verbarg ihr Gesicht in den Händen. »Nein«, schluchzte sie, »ganz sicher nicht.«
    »Woher wissen Sie das? Haben Sie noch andere Hinweise gefunden?«
    »Die brauche ich nicht«, stieß sie hervor. »Es reicht doch, dass Matthias sich aus Verzweiflung das Leben genommen hat.«
    Das ist es, dachte Schwarz. Sie kann nicht mit dem Gedanken leben, dass sie als Mutter versagt hat. Sie hat die Lebenskrise ihres Sohns nicht ernst genug genommen. Wahrscheinlich hat sie nie mit ihm über seine Glaubenszweifel gesprochen und die Augen davor verschlossen, dass er mehr und mehr in den Sog
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