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Im Namen des Kreuzes

Im Namen des Kreuzes

Titel: Im Namen des Kreuzes
Autoren: Peter Probst
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Mann lobte ihn zum ersten Mal. Dann legte er ihm die Hand auf den Kopf. » Herr Jesus Christus, ich knie in Demut vor dir und bitte dich: Schütte über mich aus deine unendliche Gnade. «
    Wie der redet. Total abgedreht, dachte Patrick.
    » Ich weiß, dass du mich liebst, wie du alle Menschen liebst, egal wie sündig und verkommen sie sind. Weil sie alle deine Kinder sind. Ich weiß, dass du mir ein neues Herz schenken wirst, wenn ich zur Umkehr bereit bin. «
    Patrick meinte zu spüren, dass der Druck der Hand stärker wurde. Die Stimme des Mannes ging in einen merkwürdigen Singsang über. » Kehret um zu mir von ganzem Herzen, mit Fasten, Weinen und Klagen. Zerreißet eure Herzen, nicht eure Kleider, und kehret um zum Herrn, eurem Gott. «
    Es klopfte. Der Mann zog seine Hand zurück und blickte unwillig zur Tür. »Bitte?«
    Ein älterer Junge schaute herein. »Pater Anselm, Entschuldigung, der Herr Prior …«
    »Nicht jetzt.«
    »Er sagt, es sei dringend.«
    Der Mann stöhnte. »Ja, gleich.« Er verscheuchte den Jungen mit einer Handbewegung.
    Patrick kniete mit gesenktem Kopf da und sah im Augenwinkel, wie der Mann sich zu ihm herabbeugte. Er flüsterte. »Es wird ein steiniger Weg für dich werden, aber mit Gottes Hilfe kannst du es schaffen. Begib dich nur ganz in meine Hand.«
    Dann verließ er eilig den Raum.
     
    Patrick stand auf und sah sich um. Auf der Kommode lag das Feuerzeug, mit dem Pater Anselm die Kerzen angezündet hatte. Ob es aus echtem Silber war? Daneben einige Geldscheine und Münzen. Der Laptop auf dem Schreibtisch war jedenfalls neu, das hatte er sofort gesehen. Der war locker tausend wert, er müsste nur damit abhauen …
    Aber die Fenster waren vergittert und die Mauern um das Haus mindestens drei, vier Meter hoch. Außerdem gab es überall Aufpasser: beim Essen, beim Sport, in der Werkstatt.
    Und selbst wenn er es schaffte, die auszutricksen und irgendwie aus dem Haus der Gnade rauszukommen – er wusste ja nicht mal, wo er war. Sie hatten ihn stundenlang durch die Nacht gekarrt. Von den anderen Jungs konnte es ihm auch keiner sagen. Die kamen aus Frankfurt oder Berlin und wussten nur, dass sie ewig unterwegs gewesen waren.
    Komisch, dass Pater Anselm ihn einfach allein gelassen hatte. Im Bericht stand doch garantiert, dass er klaute. Vielleicht war das ein Test? Na, klar. Der wollte sehen, ob das komische Beten schon was gebracht hatte.
    Patrick lachte kurz auf. Dann steckte er schnell einen Schein ein – nur einen –, löschte die Kerzen und ging.

2.
     
    Wenn Anton Schwarz ausnahmsweise mal der Rappel packte und er aufräumte, war das ein Zeichen, dass in seinem Innenleben irgendetwas in Unordnung geraten war. Wenn er sich dann auch noch von Dingen trennte, an denen ihm eigentlich lag, war sein Leben gerade richtig scheiße.
    In den Umzugskartons mitten im Raum landeten Schuhe, T-Shirts, ein Sakko, aber auch die Geschenktasse vom Tag der offenen Tür der Polizeiinspektion München-Pasing, Bücher, Aktenordner und Briefe, die er zum Teil über dreißig Jahre lang aufbewahrt hatte.
    Am liebsten hätte Schwarz die Schränke und Kommoden gleich mit entsorgt, mit denen seine Mutter nach ihrem überraschenden Einzug vor ein paar Wochen seine Wohnung in ein Möbellager verwandelt hatte. Sein schönes Loft, das mal ein Tanzsaal gewesen war.
     
    Seine Mutter. Vor sechs Tagen war sie zusammengebrochen und vom Notarzt in die Klinik gebracht worden. Schwarz hatte das Schlimmste befürchtet, einen erneuten Schlaganfall oder Herzinfarkt, aber es war nur ein Kreislaufkollaps gewesen. Noch dazu ein selbst verschuldeter, denn Hildegard Schwarz hatte die originelle Idee gehabt, während einer der heftigsten Hitzeperioden in München weitgehend auf das Trinken zu verzichten. Durch den Flüssigkeitsentzug war sie schließlich so dehydriert gewesen, dass sie das Bewusstsein verlor.
    Im Pasinger Krankenhaus hatte man Hildegard Schwarz mit einigen Infusionen rasch wieder auf die Beine gebracht. Trotzdem riet ein Oberarzt zu einer Kur.
    Schwarz hatte seine Mutter persönlich in die Klinik nahe Bad Aibling gebracht. Dort wurde ihr ein düsteres Zimmer zugeteilt, vor dessen Fenster zum Innenhof das Abluftrohr der Großküche endete. Das ganze Gebäude war so renovierungsbedürftig, dass man nicht wusste, wer hinfälliger war, die Patienten oder das Haus. Aber Schwarz’ Mutter tröstete sich damit, dass man von einer Ecke des Speisesaals aus nicht nur den benachbarten Schlachtbetrieb, sondern sogar
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