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Im Namen des Kreuzes

Im Namen des Kreuzes

Titel: Im Namen des Kreuzes
Autoren: Peter Probst
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presste ihm die Hand auf den Mund. »Du musst nicht so andächtig sein. Mit mir kann man schlafen wie mit jeder anderen Frau.«
    Schwarz küsste ihren Hals, ihre Brüste, ihren Bauch. Sie war so schön, sie war …
    In diesem Moment hörte er ein Wimmern.
    Eva hatte es auch bemerkt. »Was war das?«
    Anton stieß einen leisen Fluch aus. »Weiß nicht, klang wie ein Kind.«
    »Das war draußen auf der Treppe. Da wieder. Schau doch mal nach.«
    Schwarz zögerte. Scheiße, dachte er, das kann doch nicht wahr sein.
    »Bitte, Anton.«
    Er zog seine Hose mit einem Seufzer wieder an und ging zur Tür. Hinter ihm schlüpfte Eva in ihre Bluse.
    Im Treppenhaus war es dunkel, und auf der obersten Stufe saß eine zusammengekauerte Gestalt. »Sie … Sie müssen mir helfen!«, schluchzte sie, dann brach sie zusammen.
    »Frau Sass?«, sagte Anton Schwarz.

8.
     
    Der alte Schlafsaal im Haus der Gnade , in dem in früheren Zeiten bis zu dreißig Mönche und Fratres genächtigt hatten, war kürzlich durch Trennwände in Viererzimmer unterteilt worden. Die dabei verwendeten Rigips-Platten waren allerdings so dünn, dass man jedes lautere Geräusch deutlich hören konnte.
    »Das ist ganz klar Absicht«, meinte Patricks Zimmergenosse Slavo, »die wollen uns immer und überall unter Kontrolle haben.«
    »Vor allem wollen sie hören, wie oft wir uns einen runterholen«, flüsterte Max, der sich das Stockbett mit Slavo teilte.
    Jannis, der im Bett über Patrick lag, schwieg. Wie immer.
    »Wie war’s heute bei dir, Patrick?«, fragte Slavo.
    »Ganz okay.«
    »Hat Pater Anselm dich wieder beten lassen?«
    »Hm.«
    »Und?«
    »Ich kann jetzt schon das Vater unser .«
    »Dann darfst du ihm bald einen blasen«, sagte Max.
    »Klar«, lachte Patrick unsicher.
    »Du brauchst keine Angst zu haben, der Anselm wird nicht grob«, sagte Slavo.
    »Und wenn du ihm was über Weiber erzählst, lässt er dich sogar ganz in Frieden«, fügte Max hinzu und kicherte.
    Im Nebenzimmer begann ein Junge im Schlaf zu schluchzen.
    »Ruhe!«, rief der Frater, der die Aufsicht hatte. Die Tür zu seinem Einzelzimmer blieb die ganze Nacht offen.
    »Wieso versuchen wir nicht, abzuhauen?«, sagte Patrick. »Bist du irre?«, sagte Max. »Die kriegen jeden. Und dann machen sie dich fertig.«
    »Pater Anselm hat mir erzählt, dass bald ein großer Feiertag kommt. Da ist die Kirche für alle geöffnet.«
    »Und?«
    »Wir könnten es beim Gottesdienst versuchen.«
    »Du kommst nicht mal bis zum Ausgang, das schwöre ich dir.«
    »Die schnappen einen vor den ganzen Leuten?«
    »Ja, klar.«
    »Und keiner hilft einem?«
    »Wieso sollten die? Die halten uns doch alle für U-Bahn-Schläger und Amokläufer.«
    Patrick zog sich das Betttuch übers Gesicht, er hatte sich noch nicht an den durchdringenden Geruch von Schweiß, Käsefüßen und Urin gewöhnt. Jannis war Bettnässer und wechselte meistens mitten in der Nacht fluchend die Unterhose.
    »Angeblich kriegen die hier für jeden von uns fünftausend Mille im Monat«, sagte Slavo. »Wir sind ein echt gutes Geschäft für die.«
    »Wahnsinn«, sagte Max, »davon lebt meine Mutter fast ein Jahr.«
    »Und wisst ihr, was das bedeutet: Die wären saublöd, uns irgendwann wieder rauszulassen.«
    Patrick schaffte es nicht mehr zuzuhören. Er war todmüde.
    Der Tag im Haus der Gnade begann um sechs mit dem Weckruf. Dann mussten sie bei jedem Wetter auf den Hartplatz und eine halbe Stunde lang immer die Mauer entlang rennen. Heute hatte er fünfzehn Runden geschafft, aber damit war der Trainer nicht zufrieden gewesen. Er hatte ihn für den Nachmittag statt zum Fußball zum Turnen eingeteilt. Patrick hasste Turnen.
    Nach dem Duschen mussten sie beten: Rosenkranz , den konnte er noch nicht richtig – nur das Vater unser . Jeden zweiten Tag war Kirche. Da sah er alle: die Mönche, die Fratres, den Prior und die Jungen aus dem anderen Trakt.
    Nach dem Beten ging es in die Werkstatt. Da feilten sie an Metallteilen rum. Ab und zu kam ein Frater oder Mönch vorbei, maß nach, schüttelte den Kopf oder nickte und gab einem das nächste Teil. Jungen, die wie er neu waren, erkannte man daran, dass sie offene Blasen an den Fingern hatten.
    »Irgendwann kriegt jeder ’ne Hornhaut«, hatte Max ihn getröstet.
    Nach der Werkstatt gab es Brote und süßen Tee. Dann ging es zu den Einzelstunden. Das bedeutete für die meisten Striemen und blaue Flecken. Er hatte mit Pater Anselm Glück gehabt. Der bemühte sich echt, dass ein Mensch mit einem
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