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Im Mond des Styx - Lohmann, A: Im Mond des Styx

Im Mond des Styx - Lohmann, A: Im Mond des Styx

Titel: Im Mond des Styx - Lohmann, A: Im Mond des Styx
Autoren: Alexander Lohmann
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tatsächlich war hier und dort ein fremdes Mädchen gesehen worden, hatte Essen erbettelt und war weitergezogen.
    Gontas lief ausdauernd. Immer wieder stieß er auf ihre Spur, aber er kam Halime nicht näher. Solange er sich auf dem Land der Cefron bewegte, genoss er zumindest in jedem Lager Gastfreundschaft. Die Sippen waren untereinander verwandt, und Gontas war hoch angesehen.
    »Ein fremdes Kind allein in der Wildnis«, fragte er eines Abends den Sippenältesten, in dessen Zelt er aufgenommen worden war. »Warum lasst ihr es einfach weiterlaufen?«
    Der Älteste zuckte die Achseln. »Sie ist nicht von unserem Blute. Sie ist keine Bedrohung und hat nicht um Gastfreundschaft gebeten. Ein streunendes Tier im Buschland – warum sollten wir ihr Aufmerksamkeit schenken?«
    »Außerdem war sie eigenartig«, warf seine Frau ein. »Sie wollte in den Norden, wie ein verirrter Steppengeist!«
    Der Älteste blickte verlegen drein. »Nicht dass ich so etwas glauben würde. Aber Vorsicht schadet nie, wenn man es mit Geistern zu tun haben könnte. Man erzürnt sie nicht, aber man hält sie fern von den Zelten. Und das Mädchen war nicht so wie wir.«
    Ja. Eigenartig . Das war Halime ohne Frage. Je länger Gontas hinter ihr herlief, umso mehr bewunderte er sie. Das Kind überlebte nicht nur allein im Buschland, es spürte auch noch die Menschen auf, die hier weit verstreut lebten. Sie blieb nicht stehen und ging immer weiter, und dabei hielt sie zielstrebig eine Richtung ein: nach Norden, dem Steinland zu!
    Halime war ein Rätsel, und Gontas wollte es ergründen.
    Doch mit jedem Tag, der verstrich, schlich die Frage tiefer in sein Herz, ob die abergläubischen Alten nicht doch recht hatten. Folgte er wirklich einem Steppengeist, der ihn in das Nichts und ins Verderben lockte?
    Aber ob Halime ein Geist war oder ob es andere Gründe gab: Irgendwo lauerte eine Gefahr! Gontas spürte es tief in seinem Inneren, und ihm gefiel dieses Gefühl. Zudem war es besser, dieser unbekannten Bedrohung hier draußen nachzujagen, als im Lager seiner Sippe Nacht um Nacht von Blut zu träumen. Halime hatte ihn aus einer Gefangenschaft befreit, die er zuvor nicht einmal richtig bemerkt hatte, weil alle anderen sie »Frieden« nannten.
    Gontas folgte Halimes Spur zehn Tage lang, zwanzig Tage, und die Landschaft, durch die er lief, wurde trockener. Das Kriechgras wuchs spärlicher, und bald folgte Gontas keinen schmalen Pfaden mehr, sondern wanderte über weite Ebenen, die fast kahl wirkten. Nur vereinzelte dürre Sträucher standen noch mitten in der Einöde. Die Lager der Menschen rückten weiter auseinander, und es waren keine Cefron mehr, die auf diesem Land lebten. Gontas musste von seinen Vorräten zehren.
    Er hatte die Steppe erreicht, die sich als schmaler Gürtel um das wüste Steinland zog. Hier lebten nur Verbannte, Verstoßene der Stämme oder Flüchtlinge aus den Städten, die in der Einöde neue Sippen gegründet hatten und am Rande der Stammesgebiete ein armseliges Dasein fristeten, furchtsam und nur geduldet.
    Die Pflanzen ernährten kaum die mageren Herden, kein Grashalm schob seine Spitze über die Steine hinaus, die überall auf dem kargen Boden lagen. Was hier wuchs, war kahl und grau. Es mochte tot sein oder dämmerte im Todesschlaf, bis der nächste Regen es weckte – wer vermochte das zu sagen?
    Gontas fand ein letztes Lager inmitten eines Landstrichs, der schon halb vom Sand verschlungen war. Die Zelte waren nur zerfetzte Planen, notdürftig über einige Latten gelegt. Die Geister allein mochten wissen, woher die Menschen das Holz dafür nahmen. Ein paar Tiere schlichen um das Lager, abgemagert bis auf die Knochen. Sie musterten Gontas aus entzündeten Augen, die aus den knochigen Schädeln hervorquollen.
    Die Hirten, die dabeistanden, musterten Gontas ebenfalls, als würden sie befürchten, dass der Cefron ihnen noch den wenigen Besitz raubte. Bevor Gontas die Zelte erreichte, war er von hageren Gestalten umringt. Neben dem muskulösen Buschläufer glichen diese Menschen Figuren aus dürrem Reisig. Gontas hätte sie zerbrechen können, ohne die Äxte aus seinem Gürtel zu ziehen. Er verzog abschätzig den Mund.
    »Ich suche ein Kind«, rief er. »Ein kleines Mädchen.«
    Die Zunge der Steppenbewohner war schwerfällig, ein Kauderwelsch vielerlei Ursprungs. Gontas hatte Mühe, ihrem Geplapper zu folgen. Aber ein zahnloser Alter, unglaublich dürr und mit ein paar wenigen weißen Strähnen auf dem Kopf, ergriff das Wort. Er
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