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Im Mond des Styx - Lohmann, A: Im Mond des Styx

Im Mond des Styx - Lohmann, A: Im Mond des Styx

Titel: Im Mond des Styx - Lohmann, A: Im Mond des Styx
Autoren: Alexander Lohmann
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gebrauchte die Sprache der Buschläufer, so gut er es eben vermochte.
    »Eh, is hier gewesen, ja.«
    Gontas bemerkte, wie ein paar Männer zu ihren Waffen griffen. Stöcke und rostige Klingen, oder das eine an dem anderen festgebunden. Gontas grinste. Er ließ den Riemen seiner Tasche ein wenig über die Schulter hinabgleiten, sodass er sie rasch abschütteln konnte.
    »Is wieder weg jetzt«, fuhr der Alte fort. »Sonne is nicht weit gekommen seitdem.«
    Der Alte machte eine Handbewegung. Gontas’ Blick folgte der Geste. Tatsächlich entdeckte er eine Linie auf dem sandigen Boden, die schnurgerade vom Lager fortführte, nach Norden, wo hinter diesem Lager nichts weiter kam als die Wüste.
    Gontas stand zu weit entfernt, um die einzelnen Abdrücke zu unterscheiden.
    »Viele suchen das Kind«, sagte der Alte. »Reiter kommen vorbei und fragen. Gehörst du zu ihnen?«
    Gontas fuhr herum. Er musterte den Alten. »Reiter? Was sind das für Männer?«
    »Eh, weiß nicht. Keiner kennt sie.« Der Alte zuckte die Achseln. »Aber kommen immer wieder, schon seit Wochen. Kommen sicher bald wieder.« Ein weinerlicher Ton schlich sich in seine Stimme. »Weiß nicht, ob wir die Fährte verwischen sollen. Die Reiter gefallen uns nicht. Glaub nicht, dass sie ’n Lohn für uns übrig haben, wenn wir ihnen sagen, dass das Mädchen hier langgekommen ist. Wollen vielleicht gar nicht, dass sonst noch jemand weiß.
    Besser wär’s, wenn das Balg sie gar nicht in die Nähe unserer Zelte führen tät. Aber was sollen wir tun? Is nicht leicht für uns armes Volk.«
    Er sah Gontas an, mit einer Aufforderung im Blick. Gontas wandte sich ab. Zwei der Steppenleute, die ihm im Weg standen, schob er einfach beiseite und lief auf die Spur zu.
    Die erbärmlichen Unterkünfte blieben hinter ihm zurück, und bald war Gontas allein mit der Spur, der er folgte. Er ging in die Hocke und betrachtete die Fährte. Die kleinen Fußabdrücke eines Kindes waren deutlich zu erkennen.
    Nachdenklich hielt er inne. Sollte er der schmalen Linie eine zweite hinzufügen? Gontas beschloss, so genau wie möglich in Halimes Abdrücke zu treten und sie mit seinen Stiefeltritten auszulöschen. Wenn die Männer auf ihren Pferden nachlässig auf den Boden sahen, konnte er sie vielleicht täuschen. Sie würden nur die Spur eines erwachsenen Mannes sehen, die ohne Bedeutung für sie war.
    Er folgte der Fährte über eine Düne und durch ein Tal aus feinem Sand. Die Körner brannten heiß auf seiner bloßen Haut und kratzen unter dem Leder seiner Hose. Wie weit konnte er in die Wüste gehen? Nun, gewiss weiter als ein kleines Kind ohne Vorräte.
    An einem weiteren Hügel endete der Sand, und dahinter erstreckte sich, so weit das Auge reichte, eine wellige Ebene. Der Boden war so hart wie Stein, und viele kleine Steine bedeckten ihn bis zum Horizont. Die Luft flimmerte vor Hitze.
    Halimes Spur endete auf der letzten Sandzunge, die den Hang hinableckte. Gontas beschirmte die Augen und richtete den Blick dorthin. Da, kaum hundert Schritt vor sich, sah er sie. Er hatte das Mädchen fast eingeholt!
    Halime saß im Schatten eines Baumes, eines einstmals gewaltigen Baumes, der einsam aus der dürren Landschaft aufragte. Der Stamm war zerfurcht, die Rinde selbst so grau wie der Stein, der ihn umgab. An vielen Stellen stach das blanke Holz hervor, schwarz und grau, die Farbe von Asche. Einst mochte der Baum so hoch gewesen sein, wie der dicke Stamm es nur vermuten ließ. Jetzt aber war er ein paar Schritt über dem Boden abgebrochen, ein kahler Stumpf, dem nur die dicksten Äste geblieben waren. In hilfloser Drohung streckte der Baum sie der Sonne entgegen, die ihm den Tod gebracht hatte.
    Gontas verstand nicht, wie überhaupt je ein Baum die Kraft gefunden hatte, in dieser leblosen Landschaft zu solcher Größe heranzuwachsen. Und das Mädchen, das er suchte, saß an den Stamm gelehnt da und weinte.
    Behutsam trat Gontas näher. Er hörte Halime murmeln, die Worte kamen unverständlich von den sandverkrusteten Lippen, aber es waren die ersten Worte, die Gontas in der ganzen Zeit überhaupt von ihr gehört hatte. Er wollte sie tröstend in die Arme nehmen, aber ihr Geist schien weit fort und verloren, ihr Blick war nach innen gekehrt.
    Gontas setzte sich ihr gegenüber unter den toten Baum. Er räusperte sich.
    »Halime«, sprach er sie schließlich an. »Wo willst du nur hin?«
    Das Mädchen blickte auf. Die dunklen Augen wirkten überraschend klar.
    »Die Zitadelle«, sagte sie.
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