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Im Mond des Styx - Lohmann, A: Im Mond des Styx

Im Mond des Styx - Lohmann, A: Im Mond des Styx

Titel: Im Mond des Styx - Lohmann, A: Im Mond des Styx
Autoren: Alexander Lohmann
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ist alles, was die Geister zu sagen haben – zu dir und zu deinem kleinen Mädchen.«
    Er grinste. Ein Lichtstrahl vom Hubal, der als Halbmond am Himmel stand, färbte seine Zähne rot wie Blut.
    Gontas sprang auf. Er wich zurück, spürte, wie er mit der Ferse auf die Kante des schmalen Felsvorsprungs geriet, und wäre um ein Haar nach hinten gekippt. Doch er fing sich wieder. Es erschreckte ihn, was dieser Hexer über ihn wusste. Dabei hatte er nicht einmal Gelegenheit bekommen, etwas über den Grund seines Besuchs zu erzählen.
    Oder hatte er das doch getan, in jenem dämmrigen Bad im Kräuterrauch, in dem schwer fassbaren Augenblick zwischen Tag und Traum?
    »Aber was bedeuten die Worte der Geister?«, stieß er hervor.
    »Du suchst Erklärungen?« Nuatafib kicherte, dann spie er verächtlich hervor: »Wenn du danach suchst, so schau bei den Menschen von Khâl danach. Sie schreiben dicke Bücher, so heißt es, in denen sie erst die ganze Welt erklären und dann auch noch das, was sie dazu geschrieben haben. Oder du magst nach Modwinja reisen, wo sie Erklärungen und Lügen gleichermaßen sammeln, weil ihnen das eine so viel zählt wie das andere. Bei mir findest du nur die Wahrheit, und die schert sich nicht um das Verstehen der Menschen. Das Leben selbst wird sie dir deuten.«
    »Wer ist dieser alte Mann, den deine Vision dir gezeigt hat?« Gontas drang weiter in ihn.
    »Der Name ist ein fremdes Wort.« Nuatafib machte eine Geste, als wäre das alles ohne Bedeutung. Seine Stimme klang gleichgültig. »Es bedeutet ›Streiter gegen Gott‹. Oder ›Streiter für Gott‹, wer mag diesen feinen Unterschied erkennen?
    Wie ich sagte, man kann vieles erklären und wird doch nicht klüger dadurch.«
    »Ich hatte gehofft, du hättest einen Rat für mich«, sagte Gontas. »Einen Rat, was ich tun soll!«
    »Ach?« Nuatafib legte den Kopf schräg. »Warum sagst du das nicht gleich. Ich dachte, du suchst nach Erkenntnis und nicht nach moralischer Anleitung. Nun, was du tun sollst, ist leicht gesagt: Du sollst das Tor der Zitadelle schließen! Aber das wird dir nicht so leicht gelingen.
    Nun geh, geh heim zu deinem Stamm und eile dich. Ich habe dir die Wahrheit enthüllt.«
    »Aber ich verstehe nicht …«, stammelte Gontas.
    »Es ist nicht so schwer.« Die Stimme des Alten klang milde. Er verschmierte mit dem Finger die Asche auf dem Fels zu einem Muster, das man im Schein der Monde nicht erkennen konnte. »Die Erkenntnis kommt von selbst, ein Schritt um den anderen. Wenn du bei den Zelten deiner Sippe bist, wirst du erkennen, wohin dein Weg dich als Nächstes führt. Und im Lichte des Styx wirst du schließlich das letzte Tor erblicken.«
    Gontas wandte sich ab. Nuatafib war verrückt, das wusste jeder – der verrückte Hexer vom Stamm der Cyriaten. Was hatte er von dem Besuch erwartet?
    Er verließ das schroffe Hügelland und wandte sich heimwärts. Doch in den Worten war etwas gewesen, Gontas wusste nicht was, das ihn zur Eile trieb. Er lief die Nacht durch und schlief wenig in der nächsten, und er brauchte nur zwei Nächte und einen Tag für den Weg zurück.
    Aber als er bei den Zelten seiner Sippe ankam, war Halime fort.

2.
    Gontas riss zornig die Plane beiseite und stapfte in Ochos’ Zelt. Von dem Ältesten war nichts zu sehen. Nur seine jüngste Tochter hockte dort im Vorraum und legte Rauschbartsamen in Tonkrügen ein.
    »Wo ist das Mädchen?«, fuhr Gontas sie an. »Wo steckt dein nichtsnutziger Vater?«
    »Beleidige mich nicht.« Ochos trat hinter ihm ins Zelt. »Das habe ich nicht verdient. Ich war bei den Herden und habe die Tiere gezählt. Als ich hörte, dass du wieder da bist, bin ich sogleich gekommen.«
    »Du hättest besser die Menschen gezählt. Wo ist Halime? Ich hatte dir das Mädchen anvertraut.«
    Ochos wies auf einen Hocker. »Ich werde dir alles erklären. Es ist viel geschehen in den letzten Tagen, Gontas. Setz dich.«
    »Ich bleibe stehen«, sagte Gontas. »Fasse dich kurz. Wenn du meinem Gast etwas angetan hast, weil wir Streit hatten …«
    Ochos hob die Hände. »Wir haben uns ausgesprochen. Wir waren uns einig. Ich hätte niemals gegen meine Pflichten verstoßen. Aber heute bei Sonnenaufgang kamen fremde Krieger in unser Lager. Sie saßen auf Tieren, auf Pferden, und sie waren dunkel gekleidet.«
    »Auf Pferden?« Gontas war überrascht. Das Buschland war voll von Rankengewächsen, die jedes Pferd zum Straucheln brachten. Die wenigen freien Pfade waren Fremden nicht bekannt. Es kam selten
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