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Im Mond des Styx - Lohmann, A: Im Mond des Styx

Im Mond des Styx - Lohmann, A: Im Mond des Styx

Titel: Im Mond des Styx - Lohmann, A: Im Mond des Styx
Autoren: Alexander Lohmann
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Schwert zu. Die Klinge drang in Narans Schulter. Aber das zähe Blut hielt das Fleisch zusammen wie die Fäden einer Naht, und der Schnitt schloss sich, kaum dass Sardik die Klinge aus der Wunde gezogen hatte.
    Mit einem Knurren sprang Naran nach vorn. Er versuchte, Sardik mit der bloßen Masse seines Leibes unter Wasser zu drücken.
    Sardik wich aus. Er fiel der Länge nach in den See, sprang wieder auf und schlug zu, immer wieder. Er schlug Fleisch und Knochen von Narans Leib wie ein Holzfäller, der im Wald einen Stamm bearbeitete. Er trennte Naran auch die Beine ab, und den Kopf, aber es war immer noch Leben in den Körperteilen, als sie davontrieben.
    Sardik hackte mit dem Schwert, bis sich nichts mehr regte. Schwarzes Walarenblut floss in kleinen Bächen vom Ufer in den See und mischte sich mit dem Blut des Fürsten zu dunklen Wolken, die träge mit der Strömung trieben.
    Und der Mond des Styx glitzerte auf den Wassern des Lethe, und sein Schein färbte den See so rot wie Blut – der Schein des blutroten Mondes oder das Blut selbst, das an diesem Tag in den See geströmt war, wer vermochte es zu sagen?

I. T EIL :
    S PUR IN DIE W ÜSTE

1.
    Es war Frühling, als Halime zu den Zelten der Cefron kam.
    An diesem Morgen wurde Gontas von dem Lärm geweckt, der sich am Rande des Lagers erhob. Er glitt von seinem Stapel Decken und tastete benommen nach dem Beil. Er fluchte. Zu viel Akir am gestrigen Abend. Wenn das ein Angriff war …
    Gontas’ Hand schloss sich um den Griff seiner Waffe.
    Wenn das ein Angriff war, was konnte er sich dann Besseres wünschen? Sein Kopf schmerzte bereits so heftig, als hätte er ein paar kräftige Schläge daraufbekommen. Es gab also wenig, was er von einem Feind noch zu befürchten hatte.
    Die Morgensonne fiel durch den locker verschnürten Zelteingang. Ihre Strahlen ließen rote Lichtkreise auf dem Boden und auf der Zeltplane tanzen. Gontas lauschte. Er hörte Stimmen – Stimmen, keine Schreie. Kein Angriff also.
    Gontas ließ das Beil sinken und warf es dann achtlos in die Ecke. Schade . Er hätte an diesem Morgen gern ein paar Köpfe eingeschlagen, und am allerliebsten seinen eigenen. Er biss die Zähne aufeinander, beschattete die Augen mit der Linken und riss die Zeltklappe auf.
    Ein warmer Wind strich über Gontas’ schmerzende Stirn. Die ganze Sippe stand an einem Flecken zwischen den Zelten beisammen. Die Frauen und die Alten redeten aufgeregt durcheinander, die jungen Krieger hingegen gaben sich betont unbeteiligt. Sie alle aber schienen sich um einen einzigen Punkt versammelt zu haben, und von jenseits der Zelte blickten die Dromedare aufmerksam herüber.
    Neugierig trat Gontas näher. Er schob die jüngeren Männer zur Seite. »Was ist das hier?«, fragte er. »Was soll der Lärm?«
    Gontas war nicht besonders groß und auch nicht auffällig gut aussehend. Er war breit gebaut, mit langen, muskulösen Armen. Seine kurzen schwarzen Haare ringelten sich wie Draht und sahen immer ein wenig struppig aus, seine Nase war flach, und seine Haut hatte den leichten Bronzeton, der bei den Stämmen der Buschläufer verbreitet war. Dennoch, als er durch den Kreis seiner Sippe trat, hatte er die ungeteilte Aufmerksamkeit aller. Die Gespräche verstummten.
    »Irgendwelcher Weiberkram«, zischelte Hasdru Hundeohr.
    »Die Frauen haben es beim Wasserholen gefunden«, sagte Ochos, der älteste der Sippe.
    Gontas hob gereizt die Hände. » Was haben sie gefunden?«
    Die Frauen wichen zur Seite. Gontas kniff die Augen zusammen, aber er konnte immer noch nicht sehen, worum es ging. Nur ein paar kleine Kinder spielten dort, wo alle hinschauten. Sie liefen aufgeregt umher und stachelten sich gegenseitig mit Rufen an.
    Gontas trat näher. Und dann bemerkte er den Grund für die Aufregung.
    Ein fremdes Mädchen stand zwischen den Kindern des Stammes. Es mochte wohl sechs Jahre alt sein, und sein Kleid war von fremdartigem Schnitt und viel zu schwer für den Frühling im Buschland. Der Stoff wirkte grau und zerlumpt und staubig wie von einer langen Reise. Die Haare des Kindes klebten fettig und verfilzt aneinander; ursprünglich mochten sie braun gewesen sein, füllig und lang. Die Wangen der Fremden waren hager, der Leib ausgemergelt, aber sie stand aufrecht da und schaute Gontas aus ihren dunklen Augen an. Ihre Blicke trafen sich, sie schlug nicht die Augen nieder.
    »Sie war beim Fluss.«
    »Sie sagt gar nichts.«
    »Sie ist keine von den Cyriaten!«
    Die Frauen redeten durcheinander.
    Gontas
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