Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Licht der Merkur-Sonne

Im Licht der Merkur-Sonne

Titel: Im Licht der Merkur-Sonne
Autoren: Isaac Asimov
Vom Netzwerk:
die Sonne jetzt sehen könnten, würden Sie feststellen, daß sie sechsunddreißigmal so groß ist, als sie vom Mars aus erscheint. Und das gleiche gilt natürlich für die Korona, und sechsunddreißigmal so hell ist sie auch.«
    Lucky nickte. Sonne und Korona würden neunmal so groß sein, als sie von der Erde aus erschienen. Und auf der Erde konnte man die Korona überhaupt nicht sehen, höchstens bei einer totalen Sonnenfinsternis.
    Nun, Mindes hatte also nicht ganz die Unwahrheit gesprochen. Es gab doch Sehenswürdigkeiten auf dem Merkur.
    »Man nennt dieses Licht den ›weißen Geist der Sonne‹«, fuhr Mindes fort, und seine Stimme klang verbittert.
    »Nicht schlecht«, nickte Lucky. »Ein gut gewählter Begriff.«
    »Gut?« fragte Mindes und verzog den Mund. »Da bin ich aber anderer Ansicht. Man redet auf diesem Planeten viel zuviel von Gespenstern. Der ganze Planet ist verhext. Nichts funktioniert hier so wie es soll. Die Bergwerke sind ein Mißerfolg ...« Er verstummte.
    Lucky beschloß, nicht darauf einzugehen, sondern fragte:
    »Wo ist diese Erscheinung, die Sie uns zeigen wollten, Mindes?«
    »Oh, ja, wir werden ein paar Schritte gehen müssen. Nicht weit, wenn man die Schwerkraft bedenkt. Aber seien Sie trotzdem vorsichtig. Wir haben hier keine Straße, und das Koronalicht kann einen durcheinanderbringen. Ich schlage vor, Sie schalten Ihre Helmlampen ein.«
    Er knipste bei diesen Worten seine eigene Lampe an, und ein Lichtkegel stach über seiner Gesichtsplatte in die Nacht. Zwei weitere Lampen blitzten auf, und dann trotteten die drei Gestalten mit ihren dick isolierten Stiefeln weiter. Im Vakuum verursachten sie natürlich keinerlei Geräusch, aber jeder konnte die schwachen Schwingungen wahrnehmen, die ihre Schritte verursachten.
    Mindes schien immer noch über den Planeten nachzugrübeln. Nach einer Weile sagte er mit leiser, angespannter Stimme:
    »Ich hasse den Merkur. Ich bin jetzt seit sechs Monaten hier, zwei Merkurjahre, und ich hasse ihn. Ich dachte zuerst nicht, daß ich länger als sechs Monate hier sein würde, und jetzt ist die Zeit um, und nichts ist geschehen. Hier ist alles falsch. Der kleinste Planet, der Planet, der der Sonne am nächsten ist – nur eine Seite ist der Sonne zugewandt; dort drüben« – sein Arm deutete in Richtung auf den von der Korona beschienenen Horizont – »ist die Sonnenseite, wo es an manchen Stellen so heiß wird, daß Blei zum Schmelzen kommt und Schwefel kocht. Dort drüben, in die andere Richtung« – wieder eine Armbewegung – »ist die einzige Planetenoberfläche im ganzen Sonnensystem, die nie das Licht der Sonne erblickt. Alles ist hier jämmerlich.«
    Er blieb stehen, um über eine sechs Fuß breite Spalte im Boden zu springen. Er sprang ungeschickt darüber, das typische Bild eines Erdmenschen, der selbst auf dem Merkur tunlichst in der künstlichen Schwerkraft der Observatoriumskuppel blieb.
    Bigman schüttelte mißbilligend den Kopf. Er und Lucky setzten über die Spalte, ohne besonderes Aufhebens davon zu machen.
    Eine Viertelmeile weiter sagte Mindes unvermittelt: »Von hier aus können wir es sehen und auch gerade rechtzeitig.«
    Er blieb stehen und taumelte nach vorn. Bigman und Lucky kamen mit einem kleinen Hopser zum Stehen, der den Sand um sie aufwirbelte.
    Mindes' Helmlampe erlosch. Lucky und Bigman schalteten ihre eigenen Lampen aus, und jetzt konnten sie in der Finsternis an der Stelle, auf die Mindes zeigte, einen kleinen, unregelmäßigen weißen Fleck erkennen.
    Der Fleck war strahlend hell – ein grelleres Sonnenlicht, als es Lucky je auf der Erde gesehen hatte.
    »Von hier aus sieht man es am besten«, sagte Mindes. »Das ist der Gipfel des Schwarz-Weiß-Berges.«
    »Heißt er so?« fragte Bigman.
    »Ja. Sie verstehen doch, weshalb, nicht wahr? Er steht gerade am Terminator – es ist die Grenze zwischen der Dunkelheit und der Sonnenseite.«
    »Das weiß ich«, sagte Bigman ungehalten. »Halten Sie mich für dumm?«
    »Ich will Ihnen nur erklären. Es gibt da diesen kleinen Flecken am Nordpol und noch einen am Südpol, wo der Terminator sich nicht bewegt, wenn der Merkur um die Sonne kreist. Drunten am Äquator zum Beispiel verschiebt sich der Terminator vierundvierzig Tage lang siebenhundert Meilen in eine Richtung und dann, in den nächsten vierundvierzig Tagen, diese siebenhundert Meilen wieder zurück. Hier beträgt die Bewegung insgesamt nur eine halbe Meile oder so, und deshalb ist das die geeignetste Stelle für ein
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher