Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Land des weiten Himmels

Im Land des weiten Himmels

Titel: Im Land des weiten Himmels
Autoren: J Wolfe
Vom Netzwerk:
sich die Bäume an.« Deutlicher wollte sie in Gegenwart von Abbie nicht werden. »Ich würde ihr gern den Häuptling vorstellen, Adam. Würdest du ihm bitte Bescheid sagen?«
    »Natürlich«, erwiderte Adam. »Ich bin sicher, Chief Alex wird es eine große Ehre sein, unsere Besucherin willkommen zu heißen.« Er ließ Hannah durch einen bedeutungsvollen Blick wissen, dass er verstanden hatte, was sie vorhatte, und entschuldigte sich. »Ich sage ihm, dass Sie hier sind, Ma’am.«
    Er verschwand im Haus des Häuptlings und brauchte anscheinend nicht lange, um Chief Alex klarzumachen, dass Abbie Farnworth zu einer wichtigen Verbündeten werden konnte, wenn er sie freundlich empfing. In ein wertvolles Bärenfell gehüllt, eine Fellmütze mit Adlerfedern über den weißen Haaren, kam der Häuptling aus dem Haus und trat ihnen lächelnd entgegen.
    »Entschuldigen Sie meine Unhöflichkeit, Madam«, begrüßte er sie mit ausgestreckten Armen. »Mrs Farnworth, nicht wahr? Kommen Sie in mein Haus. Meine Frau hat frischen Kaffee auf dem Ofen stehen.« Er begrüßte Hannah mit einem Lächeln. »Und dazu gibt es Kekse, hoffe ich.«
    Hannah hielt das Glas hoch. »Für euch und die Kinder.«
    Sie folgten dem Häuptling ins Blockhaus und trafen dort seine Familie und etliche andere Erwachsene an, die nach ihrer Ankunft zu ihm gegangen waren, um ihm von der seltsamen weißen Frau zu berichten. Auch Dorothy war auf Umwegen ins Haus zurückgekehrt und klammerte sich an ihre Mutter. Das helle Licht, das durch die Fenster hereinschien, ließ den Raum schäbiger als sonst aussehen und warf geheimnisvolle Schatten auf die zerfurchten Gesichter der Bewohner. Chief Alex ähnelte dem legendären Sitting Bull, den Hannah nur von Fotografien kannte.
    »Das ist Abbie Farnworth«, sagte Hannah, als sie sich setzten. »Sie kommt aus San Francisco und weiß nur wenig über euch.« Sie stellte Abbie die Indianer vor, auch die kleine Dorothy. »Dorothy war vor einigen Wochen schwer krank. Sie hatte Diphtherie. Wir mussten den Arzt zwingen, sie zu besuchen und ihr ein Mittel zu spritzen. Ihm waren die Indianer gleichgültig. Aber wenn er nicht gekommen wäre, hätte sie das ganze Dorf angesteckt, und viele Kinder wären gestorben. Sehen Sie sich die Kleine an! Ist sie nicht ein süßes Kind?«
    »Sie war dem Arzt gleichgültig?«, wunderte sich Abbie.
    »Kaum zu glauben, nicht wahr?« Hannah reichte dem Mädchen ein paar Kekse. »Leider gibt es noch zu viele Leute, die so denken.«
    Die Frau des Häuptlings brachte ihnen Kaffee und zog sich zu den anderen ins Halbdunkel des Raumes zurück. Nur der Häuptling saß dicht vor ihnen im trüben Schein der Lampe und stopfte sich gemächlich seine Pfeife. »Wenn ich darf, möchte ich Ihnen etwas erzählen, Madam«, begann er höflich. »Als ich geboren wurde, gehörte Alaska noch den Russen, und in dieser Gegend gab es keinen einzigen Weißen«, sagte er. »Wir lebten so, wie wir es von unseren Vorfahren gelernt hatten. Im Sommer gingen wir auf die Jagd und fingen Lachse, und sobald der Frost kam, zogen wir in unser Winterlager und erzählten uns Geschichten. Erst mit den großen Goldfunden kamen die Weißen. Sie verdarben unsere Männer mit Alkohol und fielen über unsere Frauen her. Wir haben große Angst, dass so etwas wieder passiert.«
    Abbie nippte an dem heißen und sehr bitteren Kaffee, wahrscheinlich nur, um etwas Zeit zu gewinnen. Sie entschloss sich, das Problem direkt anzusprechen. Ihr war inzwischen klar, dass die Indianer wussten, wer sie war und was ihr Mann im Schilde führte. »Und wenn man euch Geld für euer Land geben würde? Damit könntet ihr in eine andere Gegend ziehen und ein neues Dorf bauen. Ich bin sicher, auch dort würdet ihr euch wohlfühlen.«
    Chief Alex zog an seiner Pfeife und blickte in den Rauch, der vor der Öllampe aufstieg. »Dieses Land ist uns heilig. In den Wäldern, die unser Winterdorf umgeben, baute der Rabe, der die Tanana erschuf, sein erstes Nest. Wir leben hier, seit wir denken können.« Er blickte sie nachdenklich an. »Würden Sie das Land verkaufen, das Sie von Ihren Vorfahren geerbt haben? Würden Sie das Haus aufgeben, in dem Ihre Eltern und Großeltern gewohnt haben? Würden Sie Ihren Kindern die Heimat nehmen?« Er blickte aus dem Fenster. »Diese Wälder bedeuten uns mehr, als Sie ahnen, Madam. Sie sind unsere Kirche. Sie umgeben uns, wenn wir mit unseren Geistern und dem Gott des weißen Mannes sprechen. Sie spenden uns Trost, wenn uns die Sorgen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher