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Im Land des weiten Himmels

Im Land des weiten Himmels

Titel: Im Land des weiten Himmels
Autoren: J Wolfe
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blickte ihnen durchs Fenster nach und beobachtete, wie Captain sie bis zum Waldrand begleitete und über die Wiesen davonrannte. Auf der aufgeweichten Erde tat er sich wesentlich schwerer als im Schnee.
    »Sie sollten sich nicht in die Angelegenheiten der Männer einmischen«, riet ihr Abbie. »So habe ich es mein Leben lang gehalten und bin immer gut damit gefahren. Diese Diskussionen bringen nur Ärger. Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie mein Mann aufbrauste, als er zufällig mitbekam, wie ich mich mit einer Freundin über den Krieg gegen die Spanier unterhielt. Das war nach der Schlacht bei San Juan Hill, als Teddy Roosevelt und seine Rough Riders die Hügel stürmten und die Spanier besiegten. Ich hatte mir erlaubt, an die armen Frauen zu erinnern, die in diesem Krieg ihre Söhne verloren hatten. Sie hätten meinen Mann hören sollen: ›Diese Frauen sollten stolz auf ihre Söhne sein. Sie sind in einem gerechten Krieg für ihr Vaterland gestorben.‹ Danach hielt ich immer den Mund, wenn es um heikle Themen wie den Krieg ging.«
    Hannah holte den aufgewärmten Eintopf aus der Küche und verteilte ihn auf zwei Teller. »Ich wollte Ihren Mann nicht beleidigen«, sagte sie während des Essens, »aber diese Indianer sind anständige Menschen, und wir sollten nicht mutwillig ihre Heimat verwüsten. Sie haben schon genug durchgemacht.«
    »Haben Sie keine Angst, Hannah«, beschwichtigte Abbie sie. »Mein Mann ist kein Unhold. Er wird eine vernünftige Lösung für alle Beteiligten finden.«
    »Ich hab eine bessere Idee«, sagte Hannah.

40
    »Was haben Sie vor?«, fragte Abbie, als Hannah sie zum Ufer führte und das Ruderboot ins Wasser schob. »Ich dachte, wir wollten uns ein wenig die Gegend ansehen. Sie … wollen doch nicht, dass ich in dieses … Ding steige?«
    Hannah hielt das Boot mit beiden Händen fest und bemühte sich, ihr Lächeln nicht spöttisch aussehen zu lassen. »Wir fahren nicht weit, Abbie. Zwei Meilen, mehr nicht.«
    Die Frau des Unternehmers stieg zögernd ins Boot. In ihrem Kostüm, dem langen Mantel und den halbhohen Schuhen war das gar nicht so einfach. Sie verlor beinahe das Gleichgewicht, als sie das zweite Bein nachzog, und fiel nur deshalb nicht ins Wasser, weil Hannah rechtzeitig nach ihrem Arm griff und ihr auf den Vordersitz half. Die Feder auf dem Hut der Unternehmerin wippte.
    Hannah stieg selbst ein, setzte sich und griff nach den Riemen. Mit kraftvollen Schlägen ruderte sie das Boot am Ufer entlang. Als Abbie erkannte, wie ruhig das Boot im Wasser lag, beruhigte sie sich zusehends und fand bald sogar Gefallen an der Fahrt. Bewundernd ließ sie ihren Blick über den Fluss und die Ufer streifen, die silbernen Flecken, die sich mit der hellen Frühlingssonne im Wasser spiegelten, die grünen Birken und Espen, die beiden Elche, die sich an einigen Schlingpflanzen zu schaffen machten. »Wundervoll!«, flüsterte sie, um die andächtige Stille nicht zu stören. »Ich wusste gar nicht, dass die Wildnis so schön sein kann. Ich beginne Sie zu verstehen, Hannah.«
    Obwohl die Strömung wegen des Schmelzwassers stärker war als sonst, kam Hannah gut voran. Das Leben in der Wildnis und die Fahrten mit dem Hundeschlitten hatten sie kräftiger und ausdauernder gemacht. Doch war sie auch stark genug, um das drohende Unheil von den Indianern abzuwenden? Sie kannte sich in politischen Ränkespielen wenig aus und bezweifelte, dass sie Joseph Farnworth daran hindern konnte, seine Pläne zu verwirklichen. Wenn sich ein so mächtiger Mann etwas in den Kopf gesetzt hatte, ließ er sich wohl kaum davon abbringen.
    Es sei denn, seine Frau redete ihm ins Gewissen. Abbie hatte mehr Einfluss auf ihren Mann, als sie zugeben wollte. Im Zug und an Bord des Dampfschiffes hatte Abbie stets den Eindruck einer braven und unterwürfigen Ehefrau gemacht, die sich damit begnügte, an der Seite ihres Mannes zu repräsentieren, und die sich aus seinen Geschäften heraushielt. Nur wer das ärgerliche Blitzen in ihren Augen sah, wenn ihr eine seiner Bemerkungen nicht gefiel, ahnte wohl, dass sie eine eigene Meinung vertrat. Abbie Farnworth nahm bestimmt nicht alles widerspruchslos hin, dazu war sie viel zu resolut.
    Darauf baute Hannah, als sie auf das Sommercamp der Indianer zuhielt und ihr Boot auf das sandige Ufer steuerte. Einige Männer, die in ihren Booten auf dem Fluss waren, blickten misstrauisch zu ihnen herüber. Die spielenden Kinder, die sie sonst umringten, hielten sich diesmal zurück, hatten wohl
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