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Im Land des Falkengottes. Echnaton

Im Land des Falkengottes. Echnaton

Titel: Im Land des Falkengottes. Echnaton
Autoren: Andreas Schramek
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Art, die ich je sah, und es herrschte ein emsiges Kommen undGehen, ein Schreien und Schachern wie auf einem Markt. Auf den ersten Blick ließ sich erkennen, wer von den Trauernden einen Toten brachte und wer gekommen war, um einen einbalsamierten Körper abzuholen. Bei den Männern, die einen Toten brachten, sah man nur kurze Bartstoppel, und ihre Frauen hatten vom vielen Weinen verquollene und gerötete Augen. Die Männer, die einen Balsamierten holten, trugen stattliche Trauerbärte, und die Mienen der Frauen waren längst nicht mehr von Trauer gezeichnet. Die einfachen Leute, Tagelöhner, Bauern und Arbeiter, wurden mit ihren Toten vor dem Eingang abgefangen und auf ein Gelände seitlich der eigentlichen Werkstätten geleitet. Diese Verstorbenen legte man zusammen mit vielen anderen Leichen in Gruben, ohne ihnen die Eingeweide und die inneren Organe entfernt zu haben. Dann warfen die Hilfsarbeiter der Balsamierer ein paar Schaufeln Salz auf die Leichen und ließen sie einige Tage dort liegen. Dann wurden die Toten, ohne dass sie auch nur annähernd ausgetrocknet waren, in Leinensäcke eingenäht und an die Familien zurückgegeben. Meist reichten ihre Mittel nur für ein einfaches Begräbnis im Sand der Wüste.
    Die Wohlhabenderen unseres Volkes wurden dagegen ins Innere der Anlage gebeten, wo man ihnen Binden und Amulette, Särge und Gesichtsmasken, Eingeweidekrüge und Salböle vorführte und ihnen versicherte, die lieben Toten auf das Sorgsamste für die Ewigkeit vorzubereiten. Entsprechend hoch war auch der Lohn der Balsamierer.
    Lediglich die Verstorbenen der Vornehmsten unseres Landes wurden so behandelt, wie ich es mir immer vorgestellt hatte, abseits und in aller Stille und mit der Würde, die ihnen zukam.
    Der Vorsteher der Balsamierer hieß Sethi. Er war mir auf den ersten Blick unangenehm. Ich stellte mich kurz vor, zeigte ihm das königliche Siegel und erkundigte mich ohne Umschweife nach der Leiche des Prinzen. Er begleitete mich und den schwatzhaften Ramessu in einen abseits gelegenen Saal, in dessen Mitte ein großer Steinblock, der Balsamiertisch, stand.
    Sethi zeigte auf den Tisch und flüsterte mir und Ramessu gekünstelt ehrfurchtsvoll zu: «Unter dem Salz ruht der Körper von Prinz Thutmosis.»
    Aus zwei Schalen seitlich des Tisches stieg unentwegt Weihrauch empor, was den Geruch in diesem Raum erträglich machte. In einer Ecke standen die vier Eingeweidekrüge.
    «Wie lange liegt sein Körper schon unter dem Salz?», fragte ich Sethi, der mich mit aufgeregt flackernden Augen anstarrte. Er drehte sich nach einem seiner Arbeiter um und gab so die Frage an diesen weiter.
    «Zehn Tage, hoher Herr. Genau zehn Tage.»
    «Wartet einen Augenblick», sagte ich knapp und nahm Ramessu zur Seite. Ich schob ihn vor den Eingang und flüsterte ihm zu: «Kann man in diesem Zustand noch irgendwelche äußeren Einwirkungen auf den Körper erkennen?»
    Ramessu schüttelte den Kopf. «Herr, Prinz Thutmosis wurde weder erstochen noch erschlagen. Das hätte ich beim Auffinden seiner Leiche bemerkt. Derartige Verletzungen würde man immer erkennen können.»
    «Und Gift? In den Innereien und Eingeweiden?», fragte ich weiter. «So manches Gift ließe sich gewiss auch jetzt noch erkennen.»
    Ramessu zeigte in Richtung der Balsamierhalle und sprach noch leiser als zuvor. «Doch wer sagt Euch, dass sich in diesen Krügen überhaupt Leber, Lunge, Magen und Gedärm von Prinz Thutmosis befinden? Nicht einmal der Rumpf unter dem Haufen Salz muss der des Prinzen sein», fuhr der Arzt fort.
    Ich war entsetzt.
    Ramessu ließ sich nicht aufhalten. «Manche Balsamierer trennen den Kopf des Toten ab, um das Gehirn einfacher entfernen zu können. Danach wird der Kopf mit einem Stock aufgesetzt und angenäht. Hierher gelangen jeden Tag unzählige Körper, die unbemerkt gegen den des Prinzen ausgetauscht werden könnten.»
    «Selbst wenn Prinz Thutmosis eines gewaltsamen Todes starb, werden wir an dem Körper unter dem Salz nicht die Spur einer Gewalttat entdecken, wenn seine Mörder mit diesem Gesindel hier zusammenarbeiten», stellte ich resignierend fest.
    «So ist es, mein Herr», bestätigte mir Ramessu, zufrieden, dass ich seine Lektion verstanden hatte.
    Im Grunde gab es hier nichts mehr für uns zu tun. Wir gingen zurück in den Saal, und ich fragte Sethi, wann er seine Arbeit an Prinz Thutmosis vollendet haben würde.
    «In genau dreißig Tagen kann er geholt werden, hoher Herr, damit er von den Priestern gesalbt, gewickelt
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