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Im Land des Falkengottes. Echnaton

Im Land des Falkengottes. Echnaton

Titel: Im Land des Falkengottes. Echnaton
Autoren: Andreas Schramek
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Jahre Verwalter meines Palastes, bis er Bürgermeister von Men-nefer wurde. Mit wenigen, doch gleichwohl freundlichen Worten bat er uns, die Gespanne zu besteigen, um uns zum Palast zu bringen. Amenophis bestieg den Wagen Hebis, lächelte ihm freundlich zu und sagte: «Ich kenne den Weg zum Palast.»
    Dann streckte er Hebi die Hand entgegen und bat ihn so um die Zügel. Hebi verstand, übergab die Zügel, und hielt sich sogleich mit beiden Händen an der Brüstung des Streitwagens fest. Ich nahm die offenkundige Herausforderung des Prinzen an, ergriff ebenfalls die Zügel meines Gespanns, und sogleich begann eine Hetzjagd mitten durch das nächtliche Men-nefer, wie ichsie zuletzt vor über zwanzig Jahren mit meinem Freund Ameni erlebt hatte. Ich war über die Maßen erstaunt, mit welchem Geschick ich trotz meines Alters noch den Wagen zu lenken vermochte, und spürte, dass ich durchaus in der Lage gewesen wäre, Prinz Amenophis zu bezwingen. Doch wie damals, so wagte ich es auch an diesem Abend nicht, ein Mitglied der Königsfamilie, und sei es nur andeutungsweise, einer Schmach auszusetzen, und ließ meinen Schüler mit reichlichem Vorsprung den Königspalast von Men-nefer erreichen.
     
    Wie oft schon war ich in diesen Palast zurückgekehrt, dorthin, wo ich in meiner Jugend vor der Krönung meines Freundes Ameni einige Wochen verbracht hatte. Die Räume, die mir mein Freund einrichten ließ, waren nahezu unverändert. Einige Möbelstücke waren ersetzt, da ich vieles nach Waset mitgenommen hatte. Die Wandgemälde, die Fußböden waren unverändert, selbst die alten Vorhänge waren noch da. Mich erstaunte sehr, dass auch der diesen Räumen eigene Geruch über all die Jahre erhalten geblieben war. Man hätte mir die Augen verbinden können, und ich hätte dennoch gewusst, wo genau ich mich befand. In das vertraute Zuhause der Kindheit kehrt man offenbar immer wieder voll Freude zurück, so wie man ein Leben lang gerne zu seiner Mutter kommt, ganz gleich, wie lange die Kindheit zurückliegt.
    Wie vor nahezu dreißig Jahren saß ich mit angezogenen Beinen im Fenster meines Schlafzimmers und blickte in den Garten hinaus. Der Palast mit seinen vielen Sälen, Hallen und Zimmern, meine Wohnräume und der mir so vertraute Geruch ließen mich jünger werden und gaben mir ein wenig von der Unbekümmertheit früherer Tage zurück. Doch ein Blick in den Garten machte mir nur allzu deutlich, wie viel Zeit vergangen war. Die Bäume, die ich noch mannshoch kannte, überragten jetzt um vieles die Palastmauern und die meisten Gebäude. Die Kieswege waren von den alten Sträuchern fast ganz zugewachsen,und es war nicht zu übersehen, dass Nimuria und sein Hofstaat kaum mehr in Men-nefer weilten. Ja, es war viel, sehr viel Zeit vergangen.
     
    Hebi war ein überaus freundlicher Mann. Wie es der Mode entsprach, trug er einen kurzen, rechteckig geschnittenen Kinnbart. Seinen Kopf bedeckte eine tadellose Perücke, und darunter strahlte stets dasselbe fröhliche Gesicht. Obwohl er so viel älter war als Prinz Amenophis, war ich mir sicher, dass er am Hof des künftigen Herrschers einen bedeutenden Posten einnehmen würde. Noch am Abend unserer Ankunft bat ich Hebi darum, während unseres Aufenthaltes in Men-nefer Prinz Amenophis uneingeschränkt zur Verfügung zu stehen. Der Prinz musste keinen offiziellen Verpflichtungen nachkommen, und so verabredeten sich beide schon für den nächsten Morgen. Mir kam diese Verbindung sehr gelegen, konnte ich doch so ungestört meiner eigentlichen Aufgabe nachgehen.
    Mit großer Verwunderung stellte ich am folgenden Morgen fest, dass der Leichnam des Prinzen Thutmosis nicht im königlichen Reinigungszelt auf der gegenüberliegenden Seite des Flusses lag, sondern weiter flussabwärts, am nördlichen Stadtrand von Men-nefer. Der Wesir Ramose selbst versicherte mir, dass der Körper des Toten zunächst feierlich auf das westliche Ufer gebracht worden war. Weswegen er jetzt nicht mehr dort war, wusste er nicht.
    Die Werkstätte der Balsamierer war der widerlichste Ort, den ich mir vorstellen konnte. Schon von weitem wehte mir der Gestank menschlicher Eingeweide, von Blut und ranzigem Fett entgegen. Der königliche Leibarzt Ramessu, der mich begleitete, machte sich wenig daraus und schwatzte unentwegt auf mich ein. Obwohl ich mir ständig ein mit Duftöl getränktes Tuch vor die Nase hielt, war mir schon übel, bevor wir den schrecklichsten aller Orte erreicht hatten. Es war die größte Werkstätte dieser
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