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Im Land des Falkengottes. Echnaton

Im Land des Falkengottes. Echnaton

Titel: Im Land des Falkengottes. Echnaton
Autoren: Andreas Schramek
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Vater?
    Sicher, es bestand noch die Möglichkeit, dass irgendjemand vor mir auf der Suche gewesen war und Schriftstücke hatte verschwinden lassen, nach welchen ich jetzt suchte. Aber welchen Grund hätte diese Person gehabt, ausnahmslos alles Persönliche mitzunehmen und damit zu verbergen?
    Nach allem, was ich sah, war ich fest davon überzeugt, dass es derartige Schriftstücke nicht gab. Leise, ja ehrfurchtsvoll verließ ich die Gemächer und traf im Palastgarten auf Prinz Amenophis und Hebi, die sich in einem der Schattenhäuser angeregt unterhielten. Die Wedelträger zu ihrer Seite und die Dienerinnen verneigtensich knapp, als sie mich kommen sahen, während Hebi und selbst Amenophis aufstanden, um mich zu begrüßen.
    Mir selbst lag daran, mein Gemüt so schnell als möglich zu erheitern, und so erzählte ich den beiden, wie ich als Knabe dem Großvater des Prinzen, dem mächtigen Pharao Thutmosis, in diesem Garten und nur wenige Ellen von unserem Schattenhaus entfernt, begegnet war und vor Ehrfurcht und aus Angst, irgendetwas falsch zu machen, fast gestorben wäre.
    «Glaube ihm kein Wort», fügte Amenophis meiner Erzählung schmunzelnd hinzu.
    «Eje ging schon als Kleinkind in diesem Palast ein und aus, sodass viele meinten, er sei ein Prinz und gehöre zur Familie.»
    «Gehöre ich etwa nicht zur Familie?», protestierte ich scherzend.
    «Doch, Eje», sagte Prinz Amenophis, und seine Gesichtszüge wurden sehr ernst und nachdenklich. «Du gehörst mehr zur Familie, als es mancher wahrhaben möchte. Und es ist gut so.»
    Etwas Schöneres hätte mir Amenophis nicht sagen können. Auch jetzt erinnerte ich mich wie so oft an jenen Nachmittag im Palastgarten von Men-nefer, als ich – ein kleiner Junge noch – vom Thronfolger des großen Pharao Thutmosis zum ersten Mal durch die königlichen Gemächer und den Palastgarten geführt wurde. Ja, seit jenem Tag vor nahezu dreißig Jahren gehörte ich zur Familie, war ich Pharaos Freund.
    Den darauf folgenden Tag verbrachte ich zunächst damit, Freunde und Weggefährten von früher aufzusuchen, um vielleicht von einem von ihnen irgendetwas über den Tod des Thronfolgers in Erfahrung zu bringen. Zwar lobten sie alle Prinz Thutmosis als ein Vorbild in jeder Hinsicht, und vor allem die Väter vornehmer Töchter bedauerten sein allzu frühes Ende, doch konnte mir niemand bei meinen eigentlichen Erkundigungen behilflich sein. Konnte es etwa sein, dass mir niemand helfen wollte?
     
    Ungeduldig fieberte ich deswegen dem Abend entgegen. Ehe ich den Palast verließ, füllte ich eine Hand voll Gold in einen Lederbeutel, musste ich doch davon ausgehen, dass mich die Bereitschaft des Balsamierers, mir etwas zu erzählen, einiges kosten würde. Ich hatte lange überlegt, ob ich nicht den Vorsteher der Palastwache in mein Vorhaben einweihen und ihn um die versteckte Begleitung einiger Soldaten bitten sollte. Um der Heimlichkeit der Sache willen entschloss ich mich jedoch, allein zu gehen. Ich war mir bewusst, dass mir Pharao diesen Leichtsinn sehr übel nehmen würde.
    Wie immer um diese Zeit ging es im Hafenviertel recht laut zu, da aus allen möglichen Bierschänken das Singen und Grölen betrunkener Seeleute und Taugenichtse in die Nacht drang. Der Bereich um den Hafen selbst war menschenleer. Lautlos wie eine Katze näherte ich mich Schritt für Schritt unserem Schiff, ohne es auch nur einen Wimpernschlag aus den Augen zu lassen. Weil ich niemanden in seiner Nähe sah, versteckte ich mich hinter einer Mauer und beobachtete von dort aus das Schiff und den Platz davor. Doch nichts geschah. Ich schloss meine Augen, um meine Wahrnehmungen allein auf mein gutes Gehör zu beschränken.
    So mochte fast eine Stunde vergangen sein, ehe ich mich aus meinem Versteck hervorwagte. Im Schatten von Lagerhäusern näherte ich mich vorsichtig unserer Barke, bis ich ein Geräusch vernahm, das ich mir nicht gleich erklären konnte. Ich strengte mich noch mehr an als zuvor und hielt beide Hände hinter die Ohrmuscheln, um noch besser hören zu können. Jetzt war ich mir sicher: Es war das Stöhnen eines Sterbenden, ganz schwach, ganz leise. Teils aus Angst, teils vor Aufregung schlug mein Herz jetzt doppelt so schnell wie wenige Augenblicke vorher. Ich ließ alle Vernunft und alle Vorsicht beiseite und ging geradewegs zum Schiff, zu der Stelle, woher das Wimmern kam. Ich hatte es befürchtet: Es war der Gehilfe des Balsamierers, der an Händen und Füßen gefesselt und mit dem Kopf nach unten am
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