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Im Land des Falkengottes. Echnaton

Im Land des Falkengottes. Echnaton

Titel: Im Land des Falkengottes. Echnaton
Autoren: Andreas Schramek
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und mit Amuletten versehen werden kann.»
    Ich verneigte mich zum Dank und bat Sethi mit einem Handzeichen, uns zum Ausgang zu führen.
    Während Sethi und Ramessu bereits losgingen, fasste mich der Helfer Sethis von hinten am Arm und sagte mit leiser, ja ängstlicher Stimme: «Es gibt einiges zu sagen, Herr. Morgen nach Sonnenuntergang am Hafen, wo Euer Schiff liegt.»
    Ich nickte nur, um ja kein Aufsehen zu erregen und folgte den anderen. Sethi hatte nichts bemerkt, und so verließen wir nach einem knappen und förmlichen Abschied diese Grauen erregende Stätte.
     
    Ich erzählte Ramessu kein Wort von dem beabsichtigten Treffen am Hafen, denn ich musste ausschließen, dass irgendjemand davon erfuhr und die Begegnung mit dem Unbekannten vereiteln würde. Der Balsamierer schien mir in viele Dinge eingeweiht zu sein, denn woher sollte er sonst wissen, mit welchem Schiff ich am Abend vor unserer Begegnung nach Men-nefer gekommen war? Der Ekel über das gerade Erlebte lastete noch auf mir, bis wir in die Stadt zurückgekehrt waren und ich vom Anblick der vielen Menschen und von ihrem geschäftigen Treiben abgelenkt wurde. Gleichwohl ließ mir der tote Prinz keine Ruhe.
    «Ist es möglich, einen Menschen zu töten, ohne irgendwelche Spuren zu hinterlassen?», fragte ich Ramessu, kurz bevor wir den Palast erreichten.
    Erst sah er mich etwas ratlos an, dann sagte er: «Oh ja! Wenn man dem Opfer gleichmäßig ein großes Kissen fest auf das Gesicht drückt, erstickt es, ohne dass Druckstellen zurückbleiben. Wenn es nicht gerade ein altersschwacher oder ein volltrunkener Mensch ist, wird er sich aber heftig wehren, sodass man alle Gliedmaßen festhalten müsste, damit das grausige Werk gelingt.»
    Das half mir auch nicht weiter, denn ich wusste, dass der Prinz nur selten Wein trank, und bei seiner Kraft hätte es der halben Leibgarde bedurft, um seine Gegenwehr zu brechen.
    Ich hätte jetzt die gesamte Priesterschaft von Men-nefer befragen können, die Palastwache, alle Dienerinnen und Diener, und doch würde ich wohl von keinem eine Antwort erhalten, wie Prinz Thutmosis starb und wer seinen Leichnam zu den Balsamierern im Norden der Stadt bringen ließ.
    So blieb mir nur noch der unbekannte Balsamierer.
    Nach meiner Rückkehr in den Palast ließ ich mich von Ramose in die Gemächer des Prinzen führen und bat darum, in den folgenden beiden Stunden allein gelassen zu werden.
    Ich konnte mich des Eindruckes nicht erwehren, als hätte Thutmosis in diesen Räumen nie wirklich gelebt. Im Schlafzimmer des Prinzen fand sich außer zwei Truhen mit Kleidungsstücken kein einziger persönlicher Gegenstand. Da lag kein vergessener Armreif, kein in Eile liegen gelassenes Schweißtuch, keine Perücke, kein Kamm, keine Sandale. Im Wohnraum sah es kaum anders aus. Ich fand keinen Gegenstand, von dem ich mit gutem Gewissen hätte behaupten können, dass er einst dem Prinzen gehört hatte. Nur sein Bogen und der Köcher mit einigen Pfeilen hingen an einer Wand.
    Dann betrat ich das Arbeitszimmer. Auf dem Schreibtisch lagen das goldene Behältnis mit Thutmosis’ Schreibzeug undzwei unbeschriebene Papyrusblätter. Daneben stand das aus Elfenbein geschnitzte Königspaar. Es war mein Geschenk an den Prinzen aus Anlass seiner Volljährigkeit. Hinter dem Schreibtisch stand ein Holzregal, in welchem fein säuberlich geschichtet unzählige Papyrusrollen lagen. Während ich eine von ihnen wahllos herauszog, überkam mich ein schlechtes Gewissen, drang ich doch jetzt möglicherweise in persönlichste Bereiche des Toten ein. Ich konnte auf Gedichte stoßen, auf einen Briefwechsel des Prinzen oder auf sonstige geheime Aufzeichnungen. Aber war es nicht gerade das, was ich zu finden gehofft hatte?
    Ich wurde herb enttäuscht. Landkarten ohne Zahl, Bewässerungspläne, Bauzeichnungen für Tempel und Kultstätten jeder Art und Abschriften zahlreicher religiöser Texte waren alles, was ich vorfand. Im Nachlass des Thronfolgers, eines gebildeten, von jedem geschätzten und stets freundlichen Menschen, der ebenso stark wie wendig war und dessen makellosem Körper mit Sicherheit alle Töchter des Landes erlegen wären, in diesem Nachlass fanden sich ellenlange Sargtexte, aber nicht ein Liebesbrief!
    Ich war zutiefst enttäuscht, und doch nötigten mir die Bescheidenheit und Geradlinigkeit, die sich hier offenbarten, großen Respekt ab. Ich hatte den Prinzen ganz offensichtlich völlig falsch eingeschätzt. Konnte ein Sohn so anders sein als der
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