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Im Land des Falkengottes. Echnaton

Im Land des Falkengottes. Echnaton

Titel: Im Land des Falkengottes. Echnaton
Autoren: Andreas Schramek
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an ihnen Rache nehmen, und es soll ihnen ewige Verdammnis drohen. Wenn nicht, dann bleibt dir nichts anderes übrig, als fest daran zu glauben, dass es der Götter Wille war, der dir den Sohn nahm. Dann darfst du den Dienern Amuns nicht den Hauch eines Gefühls geben, als seiest du eingeschüchtert und demütig.»
    «Hat Pharao keine andere Wahl, Eje?»
    Voll Mitleid sah ich ihn an und schüttelte zaghaft den Kopf.
    Nach einer langen Weile des Schweigens atmete er schwer durch, zeigte mit der Rechten auf einen Sessel und bat mich so, Platz zu nehmen. Dann schnippte er mit den Fingern und bedeutete einem Diener, unsere Becher zu füllen. Es war der beste Rotwein, den es in Waset gab. Er wuchs in der Domäne Amuns.
    «Wie du gesehen hast», fuhr er jetzt fort, und wie ein wahrhafter Herrscher war er jetzt wieder ruhig und gefasst, «liegt für Amenophis und dich ein Ruderschiff bereit. Ich möchte, dass du so schnell als möglich in Men-nefer eintriffst, um vielleicht noch auf frische Spuren zu stoßen. Niemand weiß etwas von unserer Eile, und man rechnet mit deinem Eintreffen erst in Wochen. Du hast die kräftigsten Ruderer und die besten Soldatenbei dir. Mein alter Schiffsbaumeister Meru wird selbst das Schiff lenken, damit ihr Tag und Nacht durchfahren könnt. Was du in Men-nefer zu tun hast, wirst du selbst wissen. Nur, Eje, bedenke eines: Du allein trägst die Verantwortung für meinen Sohn. Ich habe keinen anderen Thronerben mehr.»
    Ameni trank seinen Becher in einem Zug aus und ließ erneut einschenken. Dann sah er wieder nachdenklich nach Waset hinüber.
    Der Schein der untergehenden Sonne ließ die Stadt erglühen, die Paläste, Tempel und Häuser flimmerten goldgelb und rot wie flüssiges Erz. Darüber wölbte sich der Himmel, dessen klares Blau nur allmählich in ein dunkles Grau wechselte. Dann, als die Sonne endgültig versank und Re seine Nachtfahrt antrat, verlor zuerst das vor uns liegende Land seinen Glanz, dann der Fluss und die dahinter liegenden Häuser, bis zuletzt nur noch die Türme der Tempel und Paläste und die vergoldeten Spitzen der Obelisken für eine kurze Weile im Schein des Sonnengottes strahlten, bevor auch sie im Schatten der hereinbrechenden Nacht verschwanden.
    «Immer wieder vergehen, immer wieder entstehen», murmelte Ameni in Gedanken versunken vor sich hin. Er zeigte mit seiner Linken nach Westen, dorthin, wo in den steilen Felswänden des Gebirges die Königsgräber liegen, und sagte: «Wenn wir einmal dort drüben Einzug halten, ob wir dann auch jeden Morgen wie Re   …»
    Er brach seinen Satz ab und sah mich mit einem Blick an, der mir verriet, dass er sich schwer tat, daran zu glauben.
    «Weißt du es besser?», fragte ich leise, und gab mir dann doch selbst die Antwort. «Seit mehr als tausend Jahren verbringen die Menschen unseres Landes ihr Leben auf dieser Welt nur in dem Bemühen, alles Erdenkliche für das Dasein im Jenseits zu tun. Unser ganzes Handeln ist darauf ausgerichtet, hier gute Werke zu vollbringen, Maat gerecht zu werden, damit wir auch in der Ewigkeit von Osiris für gerecht befunden werden. Ein jederrichtet nach seiner Stellung und seinen Möglichkeiten Wohnungen der Ewigkeit ein, damit wir im jenseitigen Leben als Gerechtfertigte immer wieder aufs Neue einen schönen Tag verbringen.»
    Ich hielt kurz inne, dann fuhr ich fort.
    «Wissen? Nein, Ameni. Es weiß niemand. Aber ich glaube es gerne. Denn so fällt mir vielleicht eines Tages das Sterben leichter.»
    «Und wenn morgen ein Priester kommt, einer, dem du vertraust, den du für weise hältst, und er sagt dir, es sei doch alles anders? Glaubst du dann ihm?»
    «Irgendetwas wird sein, Amenophis, irgendetwas.»
     
    Ich verließ in dieser Nacht den Palast Nimurias mit dem bedrückenden Gefühl, dass sich Amenis Leben durch den Tod seines Sohnes Thutmosis grundlegend geändert hatte. Er war sich nicht mehr sicher, dass all das, was er vollbracht hatte, richtig war, dass es einen Sinn gehabt hatte. Anders konnte ich mir seine Zweifel nicht erklären. Es war aber noch nicht an der Zeit, ihm die Frage zu stellen, warum er zweifelte. Ich brachte es nicht fertig, weil ich Angst davor hatte, er würde zusammenbrechen, wenn er feststellte, dass es vor allem Ruhmsucht war, die ihn getrieben hatte, all die mächtigen Bauwerke zu errichten. Vielleicht würde Nimuria erkennen, dass der wahre Anlass für sein Wirken und Treiben über all die Jahre nicht tragfähig war, um Grundlage für ein Lebenswerk zu sein.
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