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Im Land des Falkengottes. Amenophis

Im Land des Falkengottes. Amenophis

Titel: Im Land des Falkengottes. Amenophis
Autoren: Andreas Schramek
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Runde umher wie ein Lehrer, der darauf wartet, dass sich ein Schüler freiwillig zu Wort meldet.
    «Vater, ich habe Augen, um die Dinge zu erkennen, die mir von Bedeutung sind», mischte sich Prinz Amenophis ein.
    «Nicht alles, was ich weiß, mussten Lehrer mir beibringen. Vieles ist so offenkundig, nur verschließen die Menschen vor der Wahrheit oft die Augen.»
    «Es freut mich über die Maßen, mein Sohn, dass du offenbar ein unerschrockener Kämpfer für die Wahrheit bist. Nurhaben die Menschen oft unterschiedliche Ansichten darüber, was man unter Wahrheit zu verstehen hat. Für mich und unser Volk ist Maat der alleinige Maßstab, an dem wir all unser Tun auszurichten haben. So lange ich Herrscher der Beiden Länder bin, wird sich daran nichts ändern.»
    Nimuria sagte dies in einem sehr wohlwollenden, väterlichen Ton, und dennoch war Prinz Amenophis mit den Worten seines Vaters unzufrieden. Nur kurze Zeit später bat er um Erlaubnis, sich zurückziehen zu dürfen.
    «Musste das sein?», fragte Teje, und ihr Blick verriet, dass sie sich um das Verhältnis zwischen ihrem Sohn und seinem Vater ernsthaft Sorgen machte.
    «Darüber werden wir uns zu gegebener Zeit unterhalten», antwortete Nimuria, nein, brummte er mehr vor sich hin und bereitete damit dem unangenehmen Vorfall ein Ende.
     
    Es gab wohl niemanden am Hofe Nimurias, im Tempel von Ipet-sut oder überhaupt in Waset, der nicht wusste, dass Prinz Amenophis und Nofretete befreundet waren. Aber es waren nur wenige, die zumindest ahnten, dass es schon mehr war. Beide waren sich ganz verborgen, ja schüchtern, in einer unschuldigen, bewundernswert zärtlichen Liebe zugetan. Nafteta war ein so schönes Mädchen, wie es ein zweites in den Beiden Ländern nicht gab. Nein, mit ihren vierzehn Jahren war sie kein Mädchen mehr, sondern schon eine junge, heiratsfähige Frau. Prinz Amenophis war zwar ein Jahr älter, aber wer genau hinhörte, der merkte, dass Nafteta ihm überlegen, dass sie erwachsener war. Ihr Feingefühl und ihre Liebe zum Prinzen verbaten es ihr jedoch, ihn dies auch nur einen Augenblick lang spüren zu lassen.
    Ich beneidete diese jungen Menschen, als ich sie im Schattenhaus unseres Gartens sitzen sah. Unauffällig, fast versteckt hielten sie die fest verschlungenen Hände, immer so, dass zwischeneinem möglichen Beobachter und den zärtlichen Boten ihrer Gefühle ein Tisch, ein Stuhl, eine Vase oder sonst etwas stand. Ihre Blicke verhakten sich ineinander wie Kletten und ließen sich nicht los, bis nicht die letzte noch so kleine unsichtbare Liebeserklärung ausgetauscht war. Es war eine so unschuldige Liebe, wie sie nur zwei junge Menschen empfinden können, die körperliche Liebe noch nicht erfahren haben, sie nur erahnen, und dennoch in ihrem Glück eins sind.
    Ja, ich beneidete die beiden von ganzem Herzen, hatten sie mir doch eine Erfahrung voraus, die ich nie würde nachholen können. Ehe ich mein Herz, nur mein reines Herz verschenken konnte, hatte ich erfahren, was es bedeutet, einen Menschen mit dem Körper glücklich zu machen. Meine Seele war die betrogene, denn ich hatte vorher nie wirklich geliebt, nur mit dem Herzen geliebt. Und später war von Anfang an, beim ersten Blick, jeder Gedanke an Liebe begleitet, ja entweiht nur von dem Sehnen nach den Reizen des Körpers.
    Prinz Amenophis hatte in gewisser Weise das Glück, nicht der erstgeborene Sohn Pharaos zu sein, denn nur so konnte er sein eigenes Leben ausleben, ohne all die Zwänge, die das göttliche Amt des Herrschers der Beiden Länder mit sich brachte.
    Prinz Amenophis würde Erster Sehender eines der großen Tempel werden, vielleicht sogar Wesir, oder, wenn es der künftige Herrscher, sein Bruder Thutmosis, so wollte, ein Niemand, ein Nichts, ein unbekannter Prinz, wie unzählige vor ihm.
    Nimuria und Teje wussten, wie gerne sich der Prinz in meinem Palast bei Nafteta und auch bei mir aufhielt. Sie wussten, dass ich mir viel Zeit für sie nahm, wenn sie mich mit ihren Fragen bestürmten, mit ihren Fragen nach der Vergangenheit unseres Landes, seinen Göttern, seinen Menschen und Tieren. So war es nur folgerichtig, dass ich zur Beruhigung des Herrscherpaares in aller Form zum Erzieher des Prinzen Amenophis bestimmt wurde.
    Es war eine Zeit großer Glückseligkeit, denn was kann sich ein Vater Schöneres wünschen, als wissbegierige Kinder mit großen geistigen Fähigkeiten, Kinder, die in Gottesfurcht leben und ihre Eltern achten und lieben?
    Und doch wurde mein Glück
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