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Im Land des Falkengottes. Amenophis

Im Land des Falkengottes. Amenophis

Titel: Im Land des Falkengottes. Amenophis
Autoren: Andreas Schramek
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mit der leisen und belegten Stimme eines reuigen Büßers. Ja, zum ersten Mal nach vierzehn Jahre war Ti jetzt ohne ihre geliebte Nafteta, und ich hatte keinerlei Gespür für ihre Gefühle gezeigt.
    «Verzeih mir, Ti! Ich hätte wissen müssen, wie schwer es für dich ist, ohne Nofretete zu sein. Aber irgendwann muss Nafteta die ersten Schritte ohne ihre Amme tun. Auch mir fällt es nicht leicht, so lange Zeit ohne sie zu sein.»
    Langsam beruhigte sich Ti wieder.
    «Begleitest du mich wieder in den Garten? Dort ist die Luft frischer als hier und die Hitze erträglicher.»
    Ti wischte sich die Tränen von den Wangen, rückte ihr Kleid etwas zurecht und sah mich misstrauisch an.
    Wir saßen auf jener Steinbank, auf welcher mir Merit vor fast vierzehn Jahren spät nachts sagte, dass sie ein Kind erwartete. Ich hörte gar nicht zu, wie Ti von ihrem Zuhause erzählte, von ihrer Familie und ihrem Mann, dem tapferen Maj. Regungslos saß ich neben ihr und erinnerte mich an die schöne Zeit mit Merit. Ich dachte daran, wie ich sie zum ersten Mal sah, wie ich krank im Palast ihres Vaters lag und neben ihr aufwachte, an die ersten zärtlichen, schüchternen Berührungen.
    Ti schwieg eine Weile, dann sagte sie: «Woran denkt Ihr, Herr?»
    «Verzeih mir, Ti! Ja, ich war abwesend. Ich musste an meine Frau denken, weil mich dieser Platz im Garten immer an sie erinnert.»
    Jetzt begann ich zu erzählen. Ich erzählte Ti von meiner Reise nach Babylon, davon, was ich mit Acha erlebt hatte, wie ich Merit kennen gelernt und wie sehr ich sie geliebt hatte.
    «Ich weiß aber auch, dass das Leben weitergehen muss», schloss ich meine Erzählung. «Ich weiß nur nicht, wie und mit wem.»
     
    In den folgenden Tagen verbrachte ich mehr Zeit mit Ti als je zuvor. Ich führte sie durch meine Stallungen und Werkstätten, ich ging mit ihr früh morgens, bevor es begann, heiß zu werden, durch meine Felder und Obstgärten, und ich bat sie sogar darum, gemeinsam mit mir die Mahlzeiten einzunehmen. Während all dieser Zeit unterhielten wir uns unentwegt. Sie hörte mir aufmerksam zu, wenn ich ihr erklärte, wie die Felder vermessen werden, wie man zur Bewässerung den Hebearm,den Scharduf, einsetzt, und wie wichtig es ist, vor jeder Überschwemmung die Wassergräben zu reinigen.
    Nein, sie war keine gebildete Frau. Ti wusste nicht viel von der weit verzweigten Verwaltung unseres Landes, sie hatte kaum eine Ahnung davon, welche Verbindungen zu benachbarten Völkern bestanden. Und sie hatte eine einfache Art, die Welt der Götter zu erfassen und zu verstehen, so einfach, dass sie im Stande war, auf einer einzigen Tonscherbe die gesamte Götterwelt Ägyptens aufzuzeichnen. Wenn ich ehrlich sein soll: Ich habe sie immer darum beneidet. Ich zeigte und erklärte ihr viel, aber an ihrem Glauben habe ich nie zu rütteln versucht. Ihre Art zu sprechen war klar und ungekünstelt, aber sie war ehrlich. Und Ti hatte gewiss ein gutes Herz. Ich erinnerte mich an die Lehre des weisen Ptahotep, welcher vor langer Zeit schrieb, die Redekunst sei verborgener als ein kostbarer Stein, aber man könne sie bei den einfachen Dienerinnen finden, die über dem Mahlstein knien.
    Niemandem außerhalb meines Palastes fiel auf, wie viel Zeit ich jetzt mit Ti verbrachte, da sich mit Pharao ein Großteil des Hofes in Men-nefer aufhielt, und viele andere mich gar nicht in Waset wähnten, da ich bewusst sehr zurückgezogen lebte. Nur Acha und Iset besuchten mich einige Male. Das kam mir sehr gelegen, denn so konnte ich Ti zu uns an den Tisch bitten, ohne dass dies gleich allzu förmlich wirkte. Beim ersten Besuch spürte ich freilich, dass Acha und Iset über meinen freundschaftlichen Umgang mit einer Dienerin verwundert waren, aber einige Becher alten Weines ließen sie ihre Zurückhaltung überwinden, und es entstand ein freundschaftliches und ungezwungenes Gespräch. Vor allem Iset und Ti hatten sich viel zu erzählen, war die Tochter von Acha und Iset gerade ein Jahr älter als Nafteta und waren die Mädchen eng befreundet.
    Nachdem mich Acha und Iset in kurzen Abständen einige Male besucht hatten und Ti immer bei mir war, sprach michAcha an: «Es liegt dir viel an ihr», sagte er, als wir nach dem Abendessen alleine durch den Garten gingen, und die Frauen auf der Terrasse zurückgeblieben waren.
    «Weißt du, Acha, das Leben, welches ich jetzt führe, es ist kein Leben. Ich brauche dir nicht zu erzählen, wie reizvoll die Mädchen sind, die mir Nimuria zuführen lässt,
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